Auf Einladung der Witzigmann Academy ging es für Greentable nach Wien, genauer gesagt in die Orangerie von Schloss Schönbrunn mit seiner aufsehenerregenden Pracht seltener Zitrusbäume. An diesem ungewöhnlichen Ort, zu dem nur wenigen der Zutritt gestattet wird, fand erstmals das Eckart foodlab statt. Mit dabei waren Größen der internationalen Gastronomie wie Ewald Plachutta, Matthias Hahn (Ducasse, Paris), Wolfgang Puck, Heinz Reitbauer (Steirereck, Wien), Jan Hartwig (Atelier, München) und natürlich Eckart Witzigmann.
Spitzengastronomen, Journalisten, Vertreter der Industrie und Produzenten aus der Region stellten sich in kurzen Diskussionsrunden verschiedenen Themen rund um die Gastronomie der Zukunft. Wie lassen sich die Erkenntnisse der Spitzenküche auf andere, einfachere Gastronomieformen herunterbrechen? Wo gibt es Synergien? Was macht gutes Essen aus? Wie lässt sich die Geschichte der Lebensmittel bis zum Gast transportieren? Wie exotisch kann Regionalität sein und wie intensiv kann sie überhaupt gelebt werden und gleichzeitig wirtschaftlich bleiben? Diesen Fragen gingen Veranstalter, Podiumsredner und Lebensmittelieferanten auf der Bühne und beim angeschlossenen Produzentenmarkt nach.
Vision einer nachhaltigen Gastronomie
Die Zukunft der Gastronomie bedeutet für die Profis vor allem, weniger Fleisch und tierische Produkte einzusetzen. „Wir hinterlassen unsere Spuren auf der Erde. Das sollte uns bewusst sein, wenn wir Lebensmitteln einsetzen“, betonte Matthias Hahn, Chef Corporate bei Alain Ducasse in Paris. Für ihn nimmt Gemüse seit Jahren eine zentrale Rolle in der Küche ein.
Heinz Reitbauer vom Restaurant Steirereck kredenzte aus denselben Gründen für die Veranstaltung das traditionell österreichische Gericht Beuschel, ein Ragout das normalerweise aus Lungenflügeln und Herz hergestellt wird, als vegetarische Variante mit Pilzen verschiedener Konsistenten. Das kam gut an.
Wie exotisch ist die regionale Küche?
Die Diskutanten des Eckart foodlab gingen auch der Frage nach, ob die regionale Vielfalt genügend exotisches Potential in sich birgt, um sich gegen das Luxus-Standardangebot der internationalen Sternegastronomie zu behaupten. Schließlich sei dadurch die kulinarische Vielfalt doch arg eingeschränkt. Deshalb sei von Köchen und Gastronomen mehr Kreativität und eine gewisse Kompromissbereitschaft gefordert. Mit einer regionalen Küche erleben die Gäste insgesamt wieder mehr Diversität beim Essengehen.
Gastronomen und Lieferanten müssen also zunehmend dichter zusammenrücken. So entstehen Lebensmittel in bester Qualität in Zusammenarbeit mit zuverlässigen Partnern und Produzenten. Regionalität ist dabei ein entscheidendes Kriterium, um die Identität des Gastronomiebetriebes zu schärfen und auch, um Transportwege kurz und damit den Emissionsausstoß möglichst gering zu halten.
Mehr Nachhaltigkeit für alle Gastronomieformen
Für die Spitzengastronomie ist der Einsatz von Waren allererster Güteklasse selbstverständlich. Allerdings sollte „gutes Essen“ nicht nur in der Spitzengastronomie gelebt werden, sondern sich ebenso in anderen Gastronomieformen wie der Gemeinschaftsverpflegung wiederfinden. Wichtig sei dabei, den Gästen zu erklären, woher die Lebensmittel stammen und wie sie hergestellt wurden. Das Wissen darum fehlt in vielen Fällen – bei den Gästen und bei den Gastgebern. Die Geschichte hinter dem Produkt verdeutlicht aber erst seinen Wert und sorgt für mehr Nachvollziehbarkeit bei der Preisgestaltung.
Wolfgang Puck betont dies ebenfalls: „Gastronomie ist ein Gesamtkonzept und geht nur, wenn Küche, Lieferanten und Service zusammenarbeiten.“ Der gebürtige Österreicher betreibt über 70 Restaurant auf der ganzen Welt und verpflichtete sich bereits vor Jahren, nur noch Produkte aus organisch-biologischem Anbau, Eier von freilaufenden Hühnern und Fleisch von tierfreundlich gehaltenen Schweinen und Kälbern zu verwenden. Bei einem Gericht sei schließlich nicht nur der fertige Teller, sondern die ganze Kette von der Lebensmittelproduktion, über den Vertrieb und ihre Verarbeitung auch unter ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Aspekten zu betrachten.
Gastronomie der Zukunft muss mehr leisten
Darüber hinaus muss die Gastronomie der Zukunft augenscheinlich mehr leisten als bisher. Die Gesellschaft fordert vom Gastronomen zunehmend, dass er seine Gäste auch in Sachen Lebensmittel weiterbildet und bis zu einem gewissen Grad sogar erzieht. Das betonte auch Rainer Nowak, Chefredakteur bei Die Presse. „Die Küche der Zukunft soll pädagogischer, gesünder, regionaler und weiblicher werden“, sagt er.
Mehr weibliche Küchenchefs forderte auch Anna Haumer, die an diesem Tag definitiv aus der Menge herausstach. Sie stellte die Behauptung auf, dass ein Küchenchef traditionell als männlich, alt und korpulent assoziiert würde, aber durchaus auch jung attraktiv und weiblich sein könne – wie sie eben. „Das Geschlecht spielt doch eigentlich keine Rolle. Theoretisch verfügen wir alle über dieselben Fähigkeiten. Frauen gehen bei der Arbeit in der Küche vielleicht sensibler und mit einer Hauch mehr Raffinesse vor“, fügt sie hinzu.
Zweites Eckart foodlab bereits in Planung
Die Themen beim Eckart foodlab in Wien waren vielfältig und haben zu zahlreichen Diskussionen angeregt. In Zukunft soll die Veranstaltung jährlich in wechselnden Städten stattfinden und in der Gastronomie zum Neu- und Umdenken anregen. Sie soll Inspiration und Kreativität fördern und Produzenten und Gastronomen noch näher zusammenrücken lassen. Ob und wie das gelingt, werden die kommenden Jahre zeigen.
Der Artikel erschien zuerst im Greentable Magazin