Die libanesische Küche nahm im Lauf der Geschichte großen Einfluss auf die Kulinarik des Osmanischen Reiches. Seit vier Jahren tischen Ali und Hassan Kara-Ali ihren Gästen ebendiese Spezialitäten, die für ihren Reichtum an Gewürzen und Aromen bekannt sind, in ihrer Heimatstadt Wilhelmshaven auf. Damit liegen die Brüder voll im Trend, denn bereits im Food Report 2018 prognostizierte Food-Trendforscherin Hanni Rützler dieser gastronomischen Ausrichtung große Erfolge. Die neuen kulinarischen Impulse aus der Levante, eben aus Israel, Syrien, Jordanien und dem Libanon, stellen das hierarchische Speisensystem, das aus der klassischen französischen Küche bekannt ist, in Frage. Schon heute lassen sich erste Auswirkungen dieser Küchenstilrichtung auf die westliche Esskultur beobachten: Sie präsentiert sich legerer, gesünder, aromatischer und weltoffener. Die beiden Junggastronomen Ali und Hassan Kara-Ali setzen für ihr Restaurant L’Orient nicht nur auf eine stilechte Speisekarte mit libanesischen Spezialitäten, sondern auch auf die perfekte Inszenierung. Das kommt bei ihren Gästen so gut an, dass sie dafür aus Bremen, Aachen, Oldenburg und sogar noch weiter entfernten Städten nach Wilhelmshaven reisen.
Selbstständigkeit mit Anfang 20
Gerade mal Anfang 20 waren Ali und Hassan Kara-Ali, als sie nach ihrer Ausbildung den Schritt in die Selbstständigkeit wagten. Ali hatte im Upstalsboom bei Bodo Janssen die Lehre zum Hotelfachmann absolviert, während Hassan im Hotel am Stadtpark ausgebildet wurde. Darauf folgten rasch leitende Positionen in den Lehrbetrieben. Halten konnte das die beiden Junggastronomen jedoch nicht. Sie wollten etwas Eigenes. Ihre ersten selbstständigen Schritte in der Gastronomie unternahmen Ali und Hassan 2016 mit dem ehemaligen Kartoffelhaus. „Der Laden war ziemlich heruntergekommen, die angeschlossene Kegelbahn passte auch nicht wirklich in unser Konzept, aber für die ersten Gehversuche war es perfekt“, sagt Ali Kara-Ali. Mit dem Wenigen, das sie hatten, bauten sie das Lokal um und servierten fortan orientalische Gerichte statt gutbürgerlicher Küche. Hier konnten Ali und Hassan also erst mal ausprobieren, wohin ihr Weg führen sollte. Unterstützung für ihr Projekt fanden sie in der Familie. Die Geschwister halfen im Service, dessen Leitung Ali übernahm, während Hassan mit der Mutter die Küche schmiss. „Ohne unsere Familien wären wir heute nicht da, wo wir sind!“, betont Hassan.
Orientalisches Flair an der Nordseeküste
Als die Brüder sich 2018 abermals auf die Suche nach einer passenden Lokalität für ein größeres, eigenes Restaurant machten, wurden sie überraschend schnell an der Rheinstraße in der florierenden Südstadt fündig.
Großzügig bemessene Räume, ein einladendes Entree, eine brauchbare Bar und auch aus der Küche ließ sich was Vernünftiges machen. Nur im hinteren Bereich wirkte es etwas düster durch die abgesenkte Decke und die verstellten Fenster. „Trotzdem war mein erster Gedanke: Daraus machen wir was, hier wird es gemütlich!“, berichtet Hassan Kara-Ali. Das Restaurant L’Orient hatte also ein neues Zuhause gefunden und die jungen Gastronomen konnten ihren ganz großen Lebenstraum endlich Wirklichkeit werden lassen.
Im Restaurant L‘Orient in Wilhelmshaven sollte Geschmack von nun an zum Erlebnis werden und das beginnt schon an der hölzernen, rot gestrichenen Doppelflügeltür, durch die die Gäste in eine andere Welt einzutauchen scheinen. Dahinter erwartet sie ein modernes Restaurant mit wohl durchdachten Details, jede Menge Rot an den Wänden, warmes Gold auf den Tischen und herzliche Gastgeber.
Vorbei an der gut bestückten Theke kommen die Gäste dann in den hinteren, traditionell gehaltenen Bereich. Die Fenster, in die ohnehin kaum Licht drang, wurden kurzerhand mit schweren Vorhängen versehen, an die Wände kam Tapete in rot-brauner Teppichanmutung und das Mobiliar wurde in dunkler Holzoptik ausgewählt.
Platz nehmen die Gäste auf dicken, weichen Teppichen, die auf ausladenden Bänken liegen. Orientalische Kronleuchter sorgen ihrerseits für ein wohliges Ambiente und eine Kaminsimulation an der Rückwand erhöht den Gemütlichkeitsfaktor weiter. Das Konzept ist so konsequent durchgezogen, dass die Gäste fast vergessen, dass sie sich in einer der nördlichsten Städte Deutschlands und nicht mitten im Orient befinden. „Wir wollten bewusst diese beiden gegensätzlichen Stilrichtungen abdecken und haben versucht, das Lebensgefühl des Libanons nach Wilhelmshaven zu holen“, erklärt Ali Kara-Ali. Ihr großer Vorteil neben dem außergewöhnlichen Ambiente: Im weiten Umkreis gibt es keine vergleichbare, gehobene Lokalität wie das L’Orient. Da lohnt sich die Reise also. Den Gästen gefällt das so gut, dass sie es in der Regel nicht bei einem Besuch belassen, sondern mindestens einmal in jedem Bereich gespeist haben wollen.
Wenn Geschmack zum Erlebnis wird
Für die Küche ist übrigens nach wie vor Iman Kara-Ali zuständig. In liebevoller Handarbeit bereitet sie die typisch libanesischen Spezialitäten wie Kafta oder Shish Taouk zu. „Zu den beliebtesten Gerichten zählt unser Lammrücken mit Couscous oder Batata Harra. Das sind Kartoffeln, die wir mit orientalischen Gewürzen und Zitronensaft abschmecken“, schwärmt Hassan Kara-Ali. Das Fleisch beziehen die Kara-Alis überwiegend regional.
„Wir wollen die inhabergeführten Betriebe in und um Wilhelmshaven unterstützen“, führt der gelernte Hotelfachmann aus. Auch Gemüse, Obst und Gewürze, die einen wesentlichen Bestandteil der orientalischen Küche ausmachen, lassen sie sich von den Produzenten und Händlern vor Ort liefern. Wichtige Prämisse dafür ist, dass wiederverwendbare Satten und möglichst keine Plastikverpackungen genutzt werden.
Wer sich erst noch an die orientalischen Aromen herantasten möchte, bestellt im L‘Orient am besten die Mezze-Platte mit Falafel, Kibbeh, Mutabbal, Humus, Tabulé und gefüllten Weinblättern, die stilecht in kleinen bunten Schälchen serviert und auf einem goldenen Wagen an den Tisch gebracht werden. „Im Schnitt verbringen die Gäste drei bis vier Stunden bei uns“, verrät Ali Kara-Ali. „Für uns ist das ein klares Zeichen, dass sie sich bei uns wohl fühlen. Gut für den Umsatz ist es sowieso.“ Darauf gibt es für die Stammgäste schon mal den einen oder anderen traditionellen Anis-Schnaps Arrak oder ein Glas orientalischen Tee aufs Haus. Ali und Hassan lesen ihren Gästen einfach jeden Wunsch von den Augen ab. Ebendiese kleinen Aufmerksamkeiten wissen die Gäste zu schätzen.
Das Beispiel vom L’Orient zeigt, wie wichtig die Inszenierung eines Restaurants für seinen Erfolg ist. Diese Inszenierung haben Ali und Hassan perfektioniert: Jeden ersten Freitag laden sie zusammen mit dem benachbarten Weingeschäft zum Weingenuss ein, für den sie kleine Köstlichkeiten vorbereiten.
Von Zeit zu Zeit heizen Bauchtänzerinnen den Restaurantgäste noch mal mehr ein oder sie werden bei Konzerten oder Lesungen in gemütlicher Runde unterhalten. Auch im TV oder über Social Media Kanäle wissen die beiden Brüder, wie sie sich im besten Licht präsentieren. Regelmäßig gewähren sie ihren Gäste und jenen, die noch bei ihnen essen gehen wollen, einen Einblick in die Geschehnisse vor Ort. Hauptakteur ist dabei natürlich ihr Restaurant. Aber auch für ihre Heimatstadt Wilhelmshaven wollen die Brüder Kara-Ali etwas erreichen. „Wilhelmshaven hat so viel zu bieten!“, sagt Ali. „Unsere Begeisterung wollen wir teilen.“
Der Artikel erschien zuerst in der AHGZ – Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung vom 01. Februar 2020
Sehr schön geschrieben. Mein Mann und ich lieben das L’Orient. Mindest 1x im Monat sind wir bei Ali und Hassan und lassen uns verwöhnen. Es ist jedesmal eine Geschmacksexplosion. Das Ambiente lässt uns immer wieder träumen. Jedes Details im Lokal hat seinen Flair. Jedesmal muss ich auch Fotos machen, denn immer wieder sehe ich etwas, was ich vorher nicht gesehen habe. Das Ambiente, das Essen und der sehr gute Service sprechen für sich und deshalb fällt unsere Wahl auch immer wieder auf das L’Orient.