Mörder, Diebe und andere Straftäter saßen im Amtsgefängnis Fürstenau ein. Heute beherbergt das alte Gemäuer Touristen. Die Idee, aus dem ehemaligen Knast ein kleines Hotel zu machen, hatte Werner Pries. Er gründete kurzer Hand den Verein „Arbeitskreis Archäologie und Stadtgeschichte“, um die alte Anlage zu restaurieren und wieder in Betrieb zu nehmen.
Themenhotel belebt Tourismus
Es hätte ein Museum, ein Café oder einfach ein Denkmal werden können, aber für Pries war ein Hotel das Naheliegendste. „Früher haben die Gefangenen in den Zellen übernachtet und jetzt eben unsere Gäste“, sagt der pragmatische, selbsternannte „Gefängnisdirektor“. Bis es aber so weit war, dass die ersten „Hotelgäste“ ins Gefängnis ziehen konnten, mussten Pries und seine Vereinskollegen einiges an Überzeugungsarbeit leisten. Ihr Anliegen, mit dem kleinen Hotel den Tourismus im Ort voranzutreiben, stieß nicht sofort auf offene Ohren. Außerdem war einiges zu tun: „Das Dach war kaputt, wir mussten die Böden zum größten Teil wieder herrichten“, erinnert Pries sich.
Nicht nur die Politik legte ihm und den Vereinsbrüdern und -schwestern Steine in den Weg. Auch die ortsansässigen Gastronomen und Hoteliers waren anfangs wenig begeistert von der vermeintlichen Konkurrenz. „Wir verstehen uns eher als Touristenattraktion mit Zusatznutzen und streben die Zusammenarbeit mit den Betrieben in Fürstenau an“, erklärt Pries. Größere Gruppen vermittelt er beispielsweise an die Hotels in der Nachbarschaft, nur wenige hundert Meter vom Amtsgefängnis Fürstenau entfernt. „Wir holen hier Leute nach Fürstenau. Den anderen Hoteliers und Gastronomen nehmen wir damit nichts weg. Ganz im Gegenteil! Wir wollen etwas für den Ort erreichen“, betont der Hobby-Hotelier.
Gäste wollen Gefängnisluft schnuppern
Aktuell stehen den Gästen sechs Zellen mit jeweils zwei Betten zur Verfügung. Zwei oder drei „Zimmer“ sollen in den nächsten Jahren noch hinzukommen, verrät Pries. Die spartanische Ausstattung der niedrigen Räume könnte glatt als Revolte gegen die voll durchkonzipierten Hotels verstanden werden. Einfache, schmale Metallbetten, ein kleiner Heizlüfter für kalte Nächte, eine übersichtliche Nische für das Gepäck – mehr Platz bieten die Zellen mit ihren 90 Zentimeter dicken Wänden und der schweren, metallbeschlagenen Holztür nicht. Pro Nacht sind 45 Euro pro Person fällig, ab der zweiten Nacht wird es günstiger.
Gerade diese Einfachheit macht für die Hotelgäste wohl den Reiz aus. „Besinnung auf das Wesentliche und dadurch vielleicht auch mehr Miteinander – das ist es, was unsere Gäste hier suchen“, sagt Werner Pries. Er preist vor allem die „himmlische Ruhe“ der Zellen an. Nach und nach möchte der gelernte Elektronikfachmann die Räume auch mit Infrarotheizungen an den Decken ausstatten. Pries ist im Amtsgefängnis Fürstenau eben nicht nur als Wärter, sondern auch als Hausmeister und Mädchen für alles zuständig.
Neben den sechs bezugsfertigen Zellen steht den Gästen auch ein gemütlicher Aufenthaltsraum mit 24 Sitzplätzen zur Verfügung. In der Außenanlage kann gegrillt werden, wofür die Gäste zwischen drei Grillpaketen vom Fürstenauer Schlachter wählen können. Dips, Salate und Lieferung sind inklusive. Die Kochnische im Gemeinschaftsraum bietet aber auch die notwendigen Voraussetzungen zur Selbstversorgung.
Eine besondere Art des Luxus
„Die Gäste sind während ihres Aufenthalts größtenteils auf sich gestellt. Zimmerservice und andere hoteltypische Annehmlichkeiten gibt es nicht. Die Gäste machen die Betten eigenständig – oder eben gar nicht – besorgen sich das vorbestellte Frühstück beim Bäcker, müssen beim Holzhacken mit anpacken und wenn es ganz dicke kommt, werden die ‚Gefangenen‘ im Ackerwagen durch den Ort gezogen“, weiß Werner Pries zu berichten. Das gehöre zur „Therapie“, wie er sagt. Kreativ sind sie ja, die Damen und Herren des Vereins „Arbeitskreis Archäologie und Stadtgeschichte“. Besonders Günter Sponheuer bringt hierbei seine Talente ein, wird ab und an auch künstlerisch aktiv. Mit den „Anstaltsnachrichten“ entspringt sogar eine eigene Gefängniszeitung seiner Feder, Gutscheine und Flyer hat er selbst entworfen und die Etiketten für die Gefängnisschnäpse „Kerkermeister“, „Vollstrecker“ und „Zellentrost“ hat er ebenfalls designt. „Die ehrenamtliche Arbeit im Verein nimmt schon viel Zeit in Anspruch. Aber wir tun das gerne“, so Sponheuer.
Mitmach-Hotellerie liegt im Trend
Ungewöhnliche Hotelkonzepte wie das Hotel im Knast gibt es vielerorts. Themenhotels, in denen die Gäste in überdachten Wohnwagenparks nächtigen und sich ihr Frühstück vom Baum angeln müssen oder Hostels, in denen die Zeit vor 40 Jahren stehen geblieben zu sein scheint, vermitteln das Gefühl, etwas zu erleben, das es woanders so nicht gibt. „Das befeuert in vielen Fällen das Geschäft, gerade in Zeiten, in denen große Teile unserer Gesellschaft ziemlich gesättigt sind“, erklärt Rainer Balke, Hauptgeschäftsführer des Dehoga Niedersachsen. In Anbetracht ihrer überschaubaren Kapazitäten seien die Erlebnishotels jedoch keine wirkliche Konkurrenz für normale Hotels.
Rainer Balke führt aus, dass der Ort für solche Hotelkonzepte weniger entscheidend ist als die Idee selbst und Werner Pries bestätigt seine Aussage: „Wir überlegen uns immer, was wir als Gäste erwarten und uns wünschen würden. Ich möchte selbst nicht die ganze Zeit bedient werden, sondern mit anpacken. So geht es vielen“, betont Pries. Um seinen Gästen ein wirkliches Erlebnis zu ermöglichen, müssen die „Sträflinge“ bei ihrer Ankunft den Alltag abstreifen und in schwarz-weiß gestreifte Häftlingskleidung, bestehend aus Jacke, Hose und Kopfbedeckung, schlüpfen. Diese ist auch bei „Freigängen“ mit Stolz zu tragen. Die Anwohner danken es den Gästen und schenken für so viel Disziplin „Freigänger-Schluck“ aus. Indem alle das Spiel mitspielen, wird der ganze Ort zur Attraktion. „Das belebt die gesamte Gemeinde und alle profitieren davon“, sagt Werner Pries stolz.
Einige Zellen wie die Möderzelle oder der ehemalige Duschraum sind noch immer in ihrem Urzustand. Das soll so bleiben. Sie dienen der Anschauung bei Besichtigungen. „Ein bisschen Museumscharakter wollten wir uns noch erhalten“, erklärt Pries.
Minimalmarketing ist von Erfolg gekrönt
So ein Gefängnis zieht nicht nur neugierige Reiselustige an. „Einmal erhielt ich einen Anruf von jemandem, der fragte, ob ich ihn für ein paar Tage in eine Zelle schließen könnte. So etwas machen wir natürlich nicht. Da würden wir uns ja direkt selbst für’s Gefängnis qualifizieren“, schmunzelt Pries.
Seit der Eröffnung sind im Amtsgefängnis Fürstenau schon 150 Übernachtungen über die Bühne gegangen – und das ganz ohne Werbung. „Im nächsten Jahr dürfen es gerne noch mehr Buchungen werden“, sagt Werner Pries, der die ersten Anmeldungen für die Saison 2020 bereits vermerken konnte. Um die Bekanntheit des Gefängnishotels noch zu steigern, setzen er und seine Kollegen jetzt auch auf Social Media. Über Facebook bekommen die Gäste Einblicke in das Knastgeschehen, sie erfahren von geplanten Veranstaltungen wie der 300-Jahr-Feier im kommenden Sommer und die neue Website informiert potenzielle Gäste über das Angebot der Fürstenauer.
- Eröffnet: Juni 2019
- Gründer: Verein „Arbeitskreis Archäologie und Stadtgeschichte“
- Geschäftsführer, Vereinsvorsitzender: Werner Pries
- Zimmerzahl: 6 Zimmer
- Preise pro Nacht: 45 Euro, ab der 2. Nacht 37 Euro
- Sitzplätze bzw. Kapazität: 12 Betten, 24 Plätze Im Aufenthaltsraum
- Mitarbeiter (Ehrenamtlich): 5
- Kontakt:
- Amtsgefängnis Fürstenau
- Werner Pries
- +49171/7745688, info@amtsgefaengnis.de
- Schloßplatz 4, 49584 Fürstenau
Der Artikel erschien zuerst in der AHGZ – Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung vom 11. Januar 2020