Digitalisierung beeinflusst schon jetzt alle Bereiche des Gastgewerbes. Die Weiterentwicklung ist rasant und Corona hat das Tempo sogar noch angezogen. Strenge Hygieneverordnungen, staatliche Auflagen, Kontaktbeschränkungen und verunsicherte Gäste stellten GastronomInnen vor zusätzliche Herausforderungen. Es mussten schnell Lösungen entwickelt werden, mit denen unter Berücksichtigung der neuen Regelungen der Betrieb weiterlaufen konnte. Wer nicht bereits einen Großteil digitalisiert hatte, bemühte sich nun um die Umstellung.
Dabei ist vor allem für kleinere, inhabergeführte Betriebe die Digitalisierung ihrer Prozesse leichter und schneller umsetzbar, denn die Entscheidungswege sind in der Regel kurz und der Aufwand weniger umfangreich. Ralf Hauschild befasst sich intensiv mit dem Thema speziell für Hotellerie und Gastronomie. Auf der INTERGASTRA informiert er im Rahmen des Food & Concept Court über die signifikanten Vorteile für Mitarbeitende sowie Gäste und berät zur möglichen Vorgehensweisen.
Der erste Schritt zur Digitalisierung der Betriebsabläufe besteht darin, die Ist-Prozesse zu hinterfragen. „In wie weit ist es zielführend, einzelne Abläufe oder gleich ganze Bereiche zu digitalisieren? Hakt es gegebenenfalls bereits irgendwo und werden eingefahrene Fehler lediglich digital weitergeführt? Es lohnt sich, bei der Analyse der Geschäftsabläufe selbstkritisch vorzugehen“, betont Hauschild.
Schritt für Schritt in die Zukunft
Carsten Hünerbein betreibt das Posthotel Hünerbein in Osnabrück und modernisiert seinen Betrieb seit der Eröffnung peu à peu. Über eine elektronische Schließanlage, die künftig auch bequem über das Smartphone bedienbar sein soll, kommen die Gäste mit Hilfe eines Codes zu jeder Tages- und Nachtzeit ins Gebäude. Bereits ab der Buchung kann die sogenannte Guest Journey digital begleiten. Anregungen für Aktivitäten vor Ort, möglichst gefiltert nach individuellen Interessen, kommen per Push-Nachricht auf das Mobiltelefon. Kurz vor der geplanten Anreise erinnert eine E-Mail an alles, woran zu denken ist – vom Gepäck bis zu den benötigten Reiseunterlagen, die selbstverständlich jederzeit digital einsehbar sind. So funktioniert heute der Aufbau einer intensiven Beziehung zwischen Gast und GastgeberIn – effektiv automatisiert und dennoch persönlich.
Im Hotel Hünerbein sind mittlerweile alle Bereiche weitestgehend digitalisiert. Statt gebundener Gästemappen finden die Gäste vollausgestattete Tablets auf ihrem Zimmer vor. Darüber lassen sich nicht nur alle Informationen zum Hotel und touristischen Angeboten nachlesen, sondern auch der Smart-TV steuern. Außerdem stehen den Gästen über eine entsprechende Software auf dem Gerät über 500 Zeitungen und Magazine zur Verfügung. „Das passt einfach besser zum Lifestyle unserer Gäste, überwiegend Geschäftsreisende, die beim Kaffee am Morgen die Nachrichten mobil lesen wollen“, erklärt Hünerbein. Seine Gäste können über das Tablet vom Zimmer aus auch die Auslastung der Wellness- und Fitnessbereiche prüfen, einen Mietwagen buchen oder ihr Sightseeing-Programm organisieren. Die Kontaktaufnahme zur Rezeption mit Hilfe der Tablets sowie eine bequeme Nachbuchung für eine weitere Übernachtung sind ebenfalls möglich. Zudem präsentiert sich auch das hoteleigene Restaurant digital. Die tagesaktuelle Speisekarte ist online und über das Tablet ebenso einsehbar wie noch verfügbare Sitzplätze. Eine Tischreservierung benötigt nur wenige Klicks. Am Tisch nimmt der Service die Bestellung über das Smartphone auf. Diese sind mit dem Kassensystem vernetzt und melden das Gewünschte direkt an die Küche, die an Monitoren ablesen kann, was zu tun ist. Die Kasse übernimmt auch die Verwaltung im Hintergrund, speist die Restaurantkarte in verschiedenen Portalen ein, organisiert die Personalplanung und bereitet notwendige Unterlagen für das Finanzamt vollautomatisiert auf. So liegt die betriebseigene Auswertung immer in Echtzeit vor.
Das Klima regelt die Software
Selbst das Klima regelt im Posthotel die Software. Alle Zimmer sind mit Thermostaten ausgestattet. Registrieren die Geräte beispielsweise ein offenes Fenster über längere Zeit oder dass bei Nichtbelegung eines Raums unnötig geheizt wird, reagiert das System automatisch auf die Umstände und fährt hoch beziehungsweise runter. Angesichts rapide steigender Energiekosten eine lohnenswerte Investition.
Von einer zunehmenden Digitalisierung der Prozesse profitieren auch die Mitarbeitenden. So wird das House-Keeping-Team per Push-Nachricht informiert, wenn ein Gast frühzeitig auscheckt oder die erneute Reinigung des Zimmers gewünscht ist. Darüber hinaus vereinfacht eine App die Kommunikation unter den KollegInnen. Sie können jederzeit den Dienstplan einsehen, über einen persönlichen Zugang ihre Arbeitsstunden erfassen und sogar laufende Lohnabrechnungen abrufen. Selbst die Buchhaltung läuft im Posthotel komplett papierlos. „Die Daten und Hotelunterlagen sind sicher in einer Cloud gespeichert, somit jederzeit von überall einsehbar und schnell verfügbar. Eine absolute Qualitätssteigerung!“, freut sich Hünerbein.
Smart Kitchen dank systematischer Vernetzung
In der Küche gewinnt das Thema ebenfalls an Bedeutung. Smarte Küchengeräte sind in der Lage, Produktionsschritte ohne Zeitverlust aufeinander abzustimmen. Carsten Hünerbein setzt beispielsweise auf eine intelligente Spülmaschine, die Fehlermeldungen über die Hotelsoftware direkt per E-Mail weitergibt. Ebenso sind die Kühlhäuser vernetzt, die Temperaturkontrolle funktioniert automatisch und die Daten können die KollegInnen aus der Küche tagesaktuell abrufen.
Dank vernetzter Küchentechnik und intelligenter Apps lassen sich also Reservierungssysteme ganz einfach steuern, Warenwirtschafts- sowie Qualitätsmanagement werden zum Kinderspiel und HACCP-konformes Arbeiten ist für alle leicht und transparent umsetzbar. „Künftig verfügen die Systeme auch über zuverlässige Prognose-Tools, die Auslastung und Personalbedarf berechnen, den benötigten Wareneinsatz kalkulieren und optimierte Rezeptvorschläge erstellen“, weiß Ralf Hauschild. Gerade in Zeiten, in denen sich der Personalmangel immer weiter verschärft, kann Digitalisierung eine Lösung sein. „Für die Betriebsabläufe ist das heute wichtiger denn je“, betont Hünerbein. Seiner Meinung nach gehört das einfach zum Standard und wer da nicht mitzieht, sei auf lange Sicht nicht zukunftsfähig. „Sich da reinzufuchsen und mit den zahlreichen Möglichkeiten auseinander zu setzen, ist viel Arbeit, aber der Aufwand lohnt sich.“ Ist ein Projekt abgeschlossen, folgt das nächste. Nicht immer klappt alles auf Anhieb reibungslos, aber Hünerbein bleibt am Ball.
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