Diverse Lebensmittelskandale haben in den letzten Jahren das Vertrauen in die Branche geschwächt. Das bekommt auch die Gastronomie zu spüren. Unsicherheit, sogar Verärgerung und der Wunsch nach Aufklärung und Rückverfolgbarkeit der Lebensmittel sind an der Tagesordnung. Den Bedürfnissen der Gastronomen und ihrer Gäste kommen immer mehr Unternehmen nach. Aus diesem Grund öffnet auch Transgourmet Gastronomen regelmäßig die eigenen Tore und die ihrer Partner, damit sie sich selbst ein Bild von den Produktionsbedingungen machen können.
Auf der letzten Exkursion von Transgourmet Seafood ging es für die Teilnehmer, die sich aus Fischhändlern, Gastronomen und Einkäufern zusammensetzten, in die Niederlande zum Fischhändler Sterk in Lemmer am IJsselmeer. Dort wurden zusammen mit den IJsselmeer-Fischern Harald und Hilke die Reusen kontrolliert und später an Land mit Jan und seinen Kollegen Aal geräuchert. Am letzten Tag ging es zur Fischauktion in Urk. Gespickt wurde die Veranstaltung mit jeder Menge Fachwissen rund um die artspezifischen Merkmale von Zander, Seelachs, Cobia, Hiramasa, Arctic char und weiterer Artgenossen, Berichten zur Aufzucht und Haltung der Tiere und Hintergrundinformationen zum Fischhandel sowie zur Qualitätskontrolle.
Die Zukunft der Gastronomie schwimmt
Fisch als alternative Eiweißquelle gewinnt zunehmend an Bedeutung. Doch offensichtlich gibt es großen Nachholbedarf in Sachen Fisch. Nur selten wissen Köche genug über die Meerestiere, um sie richtig gut zuzubereiten. Das muss sich ändern, sagt Alexander Nikolay, Betriebsleiter bei der Arbeiterwohlfahrt in Siegen, der unter anderem für das Inklusionsrestaurant Fünf10 zuständig ist. Von der Exkursion mit Transgourmet Seafood verspricht er sich daher viel. Schließlich zählen die Bremerhavener nicht zuletzt dank ihrer Seafood Akdemie zu den Experten auf dem Gebiet.
Alexander Nikolay möchte mehr Menschen vom Fisch überzeugen. „Am liebsten arbeite ich mit ganzen Fischen, die ich zusammen mit meinen Mitarbeitern filetiere“, sagt der selbsternannte Fischliebhaber. „Das Wissen darum kommt meiner Meinung nach bereits in der Ausbildung viel zu kurz. Oftmals fehlt es sowohl Köchen als auch Gästen an praktischer Erfahrung.“
Auf den Fisch gekommen
Fisch auf der Karte ist für einige Kollegen in der Küche dennoch eine Herausforderung, weil sie nicht wissen, wie sie ihn richtig zubereiten und dann verkauft bekommen. Um die Gästen auf den Geschmack zu bringen, schickt der Küchenchef des Fünf10 den Gruß aus der Küche oft mit Fischkomponenten – gewissermaßen zum Anfüttern. Mittlerweile macht Fisch etwa 20 Prozent aus. Dreimal die Woche gibt es Fisch.
Auch Martin Grahl vom Brauhaus Dampfe in Essen hat sich was einfallen lassen, um den Fischanteil auf der Speisekarte zu erhöhen. Der erste Versuch, heimischen Karpfen anzubieten, scheiterte. „Karpfen ist ein völlig falsch verstandener Fisch – die Kommunikation und der Verkauf sind schwierig“, bedauert Martin Grahl. Weil seine Gäste den Fisch einfach nicht bestellten, fing er an, Karpfen als ‚Smutjes Pfanne‘ zusammen mit zwei weiteren Fischfilets zu bewerben. „Kaum ein Gast fragt nach, welchen Fisch wir servieren und seitdem läuft es super.“
Transgourmet Seafood klärt auf
Nachholbedarf beim Thema Fisch sieht ebenfalls Ralf Forner, Geschäftsleiter bei Transgourmet Seafood. „Wir haben knapp 4.000 Sushiläden in Deutschland. Viele haben aber erschreckend wenig Ahnung von der Ware, die sie einsetzen“, sagt der Fischexperte. Gerade bei roh verzehrtem Fisch sei beste Qualität und ein Höchstmaß an Sorgfalt bei der Lagerung und Verarbeitung unabdingbar. Die Krux sei zum einen das große Unwissen bei Köchen und Gastronomen, zum anderen gäbe es aber auch auf Seiten der Produzenten schwarze Schafe, die diverse Tricks anwenden, um das Gewicht des Fisches zu manipulieren oder minderwertige Qualität zu kaschieren. Ralf Forner klärte in diesem Zusammenhang bereits über Verfahren der Fremdwasseranreicherung auf. Um den Fisch beispielsweise vor Gefrierbrand zu schützen, erhalten Fischfilets oftmals eine Schutzeisglasur. Durch die Aufbringung dickerer Eisschichten lässt sich das Bruttogewicht erhöhen und der Preis pro Kilo so reduzieren.
Umso wichtiger sei es, dass Gastronomen und Köche sich mit Fisch entsprechend gut auskennen. „Mit unserer Transgourmet Seafood Akademie in Bremerhaven wollen wir daher aufklären. Im Seminar lernen die Teilnehmer bei uns unter anderem, anhand von sensorischen und olfaktorischen Faktoren, die Qualität der Fische zu kategorisieren.“
Erfolgreiche Partnerschaft mit Fischhändler Sterk
Der Fischhandel Sterk Seafood B.V. am IJsselmeer in den Niederlanden wird mittlerweile in fünfter Generation von den Brüdern Bertin, Theo und Laurens Sterk geführt. Sie beliefern Transgourmet Seafood allein mit 250 Tonnen Zander im Jahr. Dieser stammt überwiegend aus Russland und Kasachstan. Insgesamt führt Sterk 60 Fischsorten im Sortiment, die meisten davon sind MSC-zertifiziert.
Eine besondere Delikatesse, die die Sterk-Brüder anbieten, sind frische und geräucherte Spitzkopfgelbaale. Diese liefern Partner aus Irland, aber auch die IJsselmeer-Fischer vor Ort. Mit zweien davon ging es für die Exkursionsteilnehmer auf Fischfang. Der 18-jährige Hilke ist jeden Tag mit seinem Vater Harald ab fünf Uhr auf dem Wasser, um die rund 90 Reusen entlang der IJsselmeer-Küste von Lemmer bis nach Urk zu kontrollieren. „Die Reusen einzuholen ist harte Arbeit“, sagt Hilke. Der junge Fischer liebt seinen Beruf trotzdem. „Es ist so schön, dass wir so eng zusammenarbeiten können“, wirft sein Vater ein, während er den Fang des Tages sortiert. Kleinere Fische, aber auch Beifang wie Neunaugen werden direkt ins Wasser zurückgeworfen. Wollhandkrabbe gelten hingegen als Besonderheit. Harald verkauft sie auf dem Fischmarkt in Urk weiter. „Bis zu 10 Euro können wir pro Krabbe bekommen. Das ist viel Geld“, sagt er.
Den größten Anteil machen dennoch die IJsselmeer-Aale aus. Die kleineren Tiere sind etwa vier bis fünf Jahre alt und perfekt zum Räuchern geeignet. „Die Deutschen mögen die großen Aale lieber“, weiß Hilke. Zehn Jahre braucht es, bis die Fische eine geeignete Länge von circa 50 bis 60 Zentimetern erreicht haben. Sie bringen es dann auf ein Durchschnittsgewicht von 350 Gramm. Im Vergleich: Ein Schwein ist nach sechs Monaten schlachtreif, ein Huhn lebt in der Regel gerade mal sieben Wochen. Mit diesem Wissen steigt die Wertschätzung für den Fisch automatisch.
Gastronomen werden zu Geschichtenerzählern
Doch ein Problem bleibt: Zwar wollen sich 8 von 10 Gäste nachhaltiger ernähren, aber nur 20 bis 30 Prozent davon sind bereit, dafür auch mehr auszugeben. Umso wichtiger ist es, ihnen den Mehrwert der hochwertigeren Lebensmittel zu verdeutlichen. „Wir sind gerade dabei, unseren Wareneinsatz vermehrt auf Bio und Lebensmittel aus nachhaltiger Produktion umzustellen. Wir wollen unsere Gäste langsam an das neue Konzept heranführen“, sagt AWO-Betriebsleiter Alexander Nikolay. Er setzt dafür unter anderem auf die Produkte von Ursprung. Die Lebensmittel, die Transgourmet unter der Ursprung-Marke anbietet, werden nach Kriterien wie Regionalität, Umweltauswirkungen, Aufzuchtbedingungen der Tiere kategorisiert und die Geschichte hinter jedem Produkt transparent für Gast und Gastgeber kommuniziert. „Die Qualität ist schon eine andere. Das schmeckt man nicht nur, die Produkte sind auch in der Verarbeitung besser. Konsistenz, Geruch und Farbe sind hervorragend und bestätigen die Qualität“, begeistert Alexander Nikolay sich.
Da es auch für einen engagierten Gastronomen wie Nikolay nicht einfach ist, seine Gäste zum Umdenken zu bewegen und ihr Vertrauen in eine nachhaltige Gastronomie wieder zu steigern, möchte er unter anderem die Hintergrundgeschichten zu den Produzenten der Ursprung-Waren über Monitore im Gastraum zeigen. „Unsere Gäste sollen wissen, wo die Lebensmittel herkommen, wie sie hergestellt wurden und warum wir sie in der Küche einsetzen.“ Genau das ist der richtige Weg, wie nachhaltige Gastronomie in Zukunft an Bedeutung gewinnen kann. Weiter so!