Oberdieck und Flettner laden zum Resteessen im Atlantic Hotel Sail City. Foto: Antje Schimanke

Atlantic Hotel setzt auf Green Nudging

Nachhaltig arbeiten wollen alle, aber der lange Atem, um wirklich etwas zu verändern, fehlt den meisten Gastronomen und Hoteliers – leider. Anders ist es beim ATLANTIC Hotel Sail City in Bremerhaven. Hier setzt man auf Green Nudging.

Seit 2014 haben die Nordlichter Schritt für Schritt alle Betriebsabläufe so umgestellt, dass es heute kaum noch etwas zu verbessern gibt. Dran bleiben sie unter Leitung des Hoteldirektors Tim Oberdieck trotzdem.

Nachhaltigkeit braucht Durchhaltevermögen

Green Nudging mit Dominik Flettner Foto: Antje Schimanke
Green Nudging mit Dominik Flettner (Foto: Antje Schimanke)

Den Anstoß zur „grünen Transformation“, wie es Tim Oberdieck ausdrückt, gab vor knapp sechs Jahren ein Schulprojekt von Bremerhavener Schülern. Die Jugendlichen vereinbarten damals einen Generationenvertrag mit der Hoteldirektion, in dem genau festgehalten wurde, was sich zu ändern hatte. Daran halten sich die Bremerhavener bis heute – und gehen sogar noch weiter. Zuerst wurde eine abteilungenübergreifende Nachhaltigskeitsdelegation, das sogenannte „Green Team“, gegründet. Die Kollegen entwickelten gemeinsam konkrete Maßnahmen zur nachhaltigen Ausrichtung des ATLANTIC. Grundpfeiler der Nachhaltigkeitsstrategie sind die drei Säulen Soziales, Ökologie und Ökonomie.

Ungewöhnliche Mitarbeitermotivation

„Unser größtes Gut sind unsere Mitarbeiter“, sagt Tim Oberdieck, der maßgeblich zur Einführung eines Supervisionsprogramm für Azubis beitrug. Beim „Smile-Training“ begleiten ausgebildete, externe Trainerinnen die Mitarbeiter für mindestens ein Jahr und schaffen in den regelmäßigen Trainingszeiten Raum  zur persönlichen Weiterentwicklung. „Die jüngere Generation hat sich verändert, darauf müssen wir uns als Betrieb einstellen“, erklärt Tim Oberdieck. „Im Training geht es vor allem um Biografiearbeit und Konfliktmanagement. Für unsere Azubis ist das Pflichtprogramm und findet natürlich in der Arbeitszeit statt.“ Alle Hotelangestellte des Atlantic haben die Möglichkeit, nach Bedarf an solchen Trainingsessions teilzunehmen.

Das ATLANTIC bietet seinen Mitarbeitern auch vielfältige Möglichkeiten im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements, räumt ihnen eine flexible Arbeitszeitgestaltung zur Angehörigen-Pflege oder Kinderbetreuung ein und genehmigt Home Office Tage, sofern es die Betriebsabläufe zulassen. „Wir sehen uns in der Verantwortung, durch betriebliche Maßnahmen und Angebote die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit unsere Beschäftigten ihr Privat- und Arbeitsleben besser vereinbaren können“, betont der Hoteldirektor. „Durch eine familienbewusste Personalpolitik erhöhen sich Zufriedenheit und Motivation unserer Belegschaft ebenso wie die Arbeitsqualität wie von allein“, führt Tim Oberdieck aus.

Wirtschaftlicher Erfolg durch nachhaltige Ausrichtung

Küchenchef im Atlantic Hotel Sail City: Dominik Flettner

Auch kleine Maßnahmen können Großes bewirken. So nutzt das Housekeeping-Team bei der Reinigung der Zimmer umweltschonende Reinigungsmittel. Statt Chemikalien kommen probiotische Mikroorganismen zum Einsatz. Außerdem wurden alle Bereiche des 120-Zimmer-Betriebes auf Energieeffizienz überprüft, die Lampen auf LEDs umgestellt – was alleine eine Ersparnis von 110.000 kWh brachte – und in diesem Zuge auch die technischen Geräte sukzessiv gegen energiesparende Modelle ausgetauscht.

Apropos Energie und Strom: Das zum Hotel gehörige Restaurant fügt sich nicht nur aufgrund seines Namens „Strom“ perfekt ins Konzept ein. Der ressourcenschonende Einsatz von Lebensmittel ist das Steckenpferd von Küchenchef Dominik Flettner. Er animiert seine Küchenbrigade, bereits in der Produktion so wenige Lebensmittelreste wie möglich zu generieren. Einerseits steckt viel Aufklärungsarbeit hinter dem Erfolg, andererseits nimmt das ATLANTIC am Programm von United Against Waste teil. Hierbei landen alle ungenutzten oder nicht gegessenen Lebensmittel aus den verschiedenen Küchenabteilungen in transparenten Tonnen und werden jeden Abend gewogen. „Die wichtigste Tonne ist die für den Tellerrückgang. Wenn die voll ist, müssen wir herausfinden, woran das liegt und entsprechend reagieren“, weiß Flettner.

Der Küchenchef berichtet, dass das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendung bei allen Kollegen seit der Umstellungen enorm gestiegen sei. „Bevor etwas in die Tonne wandert, fragen sie lieber nach, ob irgendwer den Abschnitt vom Lauch noch verarbeiten kann“, so Flettner. „Es sind ja nicht nur Lebensmittel, die ungenutzt bleiben – das ist bares Geld! Besonders ärgerlich ist es, wenn die Waren bereits verarbeitet wurden, weil dann auch Energie- und Personalkosten dazu kommen.“ Insgesamt bereitet das Küchenteam weniger vor, produziert lieber bei Bedarf nach – selbst wenn es dann mal zwei Minuten länger dauert. „Wichtig ist es, dabei die Gäste mit einzubeziehen und ihnen zu erklären, warum wir wie vorgehen“, betont Hoteldirektor Tim Oberdieck. Auf diese Weise gelang es, den Rücklauf je Teller von durchschnittlich 120 Gramm auf circa 72 Gramm zu reduzieren. Durch das Engagement des Küchenteams lohnt sich heute vermehrt der Einsatz von Bio- und Demeter-Produkten. „Oder wir kaufen mal etwas Besonderes ein und bereiten damit das Personal-Essen zu. So haben alle was davon“, sagt Flettner.

Offenes Gespräch mit Partnern suchen

Auch bei zugekauften Produkten wie Brötchen oder Wurst für das Frühstücksbuffet wurde fortan genauer hingesehen. „Wir haben festgestellt, dass je Zweiertisch mindestens eine Brötchenhälfte übrig blieb“, berichtet Dominik Flettner. Also setzte er sich mit dem Bäcker zusammen, der nun nur noch halb so große Brötchen liefert. Ebenso ging der Küchenchef mit dem Metzger vor, der seinen Aufschnitt an die Teigwaren anpasste.

Der Bezug von Lebensmitteln aus der Region ist für das ATLANTIC übrigens eine Selbstverständlichkeit. So verarbeiten Flettner und seine Kollegen das Fleisch von Wasserbüffeln aus Bremerhaven oder von Wollschweinen aus Schwanewede, Wild kommt aus Brake und der Honig von vier eigenen Bienenvölkern, die auf dem Hoteldach hausen. „Indem wir regionale Betriebe unterstützen, fördern wir die vertrauensvolle Bindung zu unseren landwirtschaftlichen Partnern“, sagt Tim Oberdieck. „Die Ware ist frisch und durch die kurzen Transportwege reduzieren wir unseren CO2-Fußabdruck.“

Green Nudging: Gäste brauchen „Anschubser“

Sandra Tscharntke und Tim Oberdieck
Sandra Tscharntke und Tim Oberdieck

Das neueste Projekt, das Oberdieck und Flettner vor einigen Monaten angegangen sind, nennen sie „Green Nudging“ (dt. „Anschubser“). Hierbei geht es ebenfalls darum, die Gäste für nachhaltiges Handeln zu sensibilisieren und zu prüfen, wie viel Engagement nötig ist, damit beispielsweise CO2-arme Gerichte bestellt werden. „Im ersten Monat setzen wir klimaschonende Gerichte ohne Auslobung auf die Karte und werten aus, wie oft sie bestellt wurden“, erklärt der Küchenchef. „Im zweiten Monat schreiben wir dazu, dass es sich um CO2-reduzierte Gerichte handelt und im dritten Monat ergänzen wir den Zweck des Ganzen.“ Im Housekeeping wurden ebenfalls Maßnahmen ergriffen, um die Gäste „umzuerziehen“: Auf einer Etage sind an der Zimmertür Schilder mit dem Hinweis das Licht auszuschalten angebracht. Die Ergebnisse solcher Schritte müssen über einen langen Zeitraum beobachtet und dann ausgewertet werden. „Wir gehen nach dem Zyklus ‚plan, do, check, act‘ vor. Was wirkt, bleibt. Was nicht funktioniert, muss überdacht und verändert werden“, sagt Sandra Tscharntke, Repräsentantin des ATLANTIC Hotel Sail City Bremerhaven.

Alle im Betrieb sind dazu aufgefordert, mit der „grünen Brille“ die Abläufe im Hotel, Housekeeping, in der Küche und im Restaurant zu betrachten, ihre Eindrücke zu teilen und eigene Ideen zur Verbesserung einzubringen. „Wir wollen, dass sich alle im Team mitverantwortlich fühlen“, sagt Tim Oberdieck .

Gemeinsam die Welt (der Gastronomie) verbessern

Das Wissen, das sich das ATLANTIC-Kollegium in den vergangenen Jahren angeeignet hat, wollen sie nun auch in Workshops und Seminaren weitergeben. Beim jährlichen, gemeinsamen Info-Dinner „Resteessen“ werden außerdem Gäste, Zulieferer und Partner sowie Initiatoren von anderen Nachhaltigkeitsprogrammen eingeladen, sich bei gutem Essen untereinander zu vernetzen und auszutauschen. „Wir sind davon überzeugt, dass unsere Begeisterung, grün unterwegs zu sein, ansteckend ist“, sagt Sandra Tscharntke. „Deshalb wollen wir auch andere dazu motivieren, selbst in kleinen, machbaren Schritten etwas für ein besseres Morgen zu unternehmen.“ Das nächste Treffen findet am 26. Februar statt und Kollegen sind zum Austausch herzlich eingeladen.

Tim Oberdieck ist überzeugt, dass sich die nachhaltige Ausrichtung des ATLANTIC Hotel Sail City rentiert – ökologisch wie ökonomisch – und betont: „Wir werden das Thema weiter vorantreiben. Schließlich ist nachhaltiges Wirtschaften ein stetiger Entwicklungsprozess.“

Dominik Flettners Tipps zur Verarbeitung von Lebensmittelresten:

  1. „Bleiben für das Frühstück vorbereitete, aber nicht ausgegebene Croissants übrig, würfeln wir sie und bereiten mit einer klassischen Royal-Masse daraus einen Kabinettpudding zu. Dieser wird im Ofen gebacken und mit frischem Obst und Vanillesoße serviert.“
  2. „Die Abschnitte von Tomaten und übriggebliebenes Brot oder Brötchen verarbeiten wir zu Buscetta. Kurz in Knoblauchöl angebraten und die Tomaten abgeschmeckt – fertig. Es braucht eigentlich keinen weiteren Wareneinsatz dafür!“

Dieser Artikel erschien zuerst in der Superior Hotel 1/20

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