Um die Geschichte hinter dem Produkt kennen zu lernen, unternimmt so mancher Koch sogar eine Reise. Deshalb haben sich Tristan Brandt vom Opus V, Peter Scharff vom Kulinarischen Kompetenz Zentrum, Sven Feldmann vom Gesellschaftshaus der BASF und Christian Hertlein von Gasthof Zum grünen Tal auf den Weg nach Panama gemacht. Zusammen mit Gastronomieberater Daniel Kübler von MK Mentor, Dominik Wetzel von Transgourmet Cook und Mandy van Niersen vom Frischeparadies wollten sie sich selbst ein Bild von den Zuchtbedingungen des Cobia und der dort betriebenen marinen Aquakultur von Open Blue machen.
Uns geht der Fisch aus
Aktuell stehen 80 Prozent der weltweiten Fischereien kurz vor dem Kollaps, denn jedes Jahr wird 2,5-mal mehr Fisch aus den Ozeanen geholt, als die Natur ersetzen kann. „In den kommenden 30 Jahren werden wir mehr Lebensmittel produzieren müssen, um die wachsende Bevölkerung ernähren zu können“,
weiß Remco de Waard von Open Blue um ein Problem, für das es möglichst schnell Lösungen zu finden gilt. Mehr Fisch aus Aquakultur fordern die einen, während die anderen dagegen halten, dass Fischzucht an Land zum einen den natürlichen Lebensbedingungen der Tiere widerspricht und zum anderen dadurch Lebensraum für die Landbevölkerung schwindet.
Ein neuartiges Aquakultursystem verspricht nun die Kombination der Vorteile von Aquakultur unter möglichst naturnahen Bedingungen, wie sie sonst nur noch für Fische aus Wildfang erleben. Die Offshore-Aquakultur sei die logische Konsequenz, um nachhaltige Fischzucht zu betreiben und gleichzeitig die Versorgungsprobleme der Zukunft zu lösen, heißt es aus Expertenkreisen. Doch diese Art der Fischzucht ist vielen noch immer unbekannt und zudem erklärungsbedürftig. Die Unsicherheit beim Thema Fisch ist ohnehin groß – beim Koch und beim Gast.
Die Geschichte hinter dem Produkt kennen lernen
Open Blue möchte das ändern und hat sich auf die Offshore-Aquakultur spezialisiert. Das Unternehmen züchtet beispielsweise den Cobia, auch Offiziersbarsch genannt, vor den Küsten Panamas. Der Edelfisch hat den Prognosen zu Folge das Potenzial, dem Lachs den Rang als beliebtester Speisefisch abzulaufen. Bei solchen Vorschusslorbeeren ist es kein Wunder, dass Köche es genauer wissen wollen und sich deshalb auf die Spuren des neuen Küchenwunders für Poissoniere begeben. „Es ist einfach etwas anderes, wenn man mit eigenen Augen gesehen hat, was für ein gigantischer Aufwand hinter der Produktion steckt. Die Wertschätzung für Lebensmittel steigt dadurch enorm“, sagt Sven Feldmann, Küchenleiter des Gesellschaftshauses des BASF. Er und seine Kollegen verstehen es als ihre Aufgabe, sich das Hintergrundwissen über die Lebensmittel, die sie in der Küche verwenden, anzueignen und dieses auch an die Gäste weiterzugeben.
Besichtigung der Cobia-Zuchtanlagen
In Panama haben die Köche sich die Zuchtanlagen von Open Blue näher angesehen. Die Kinderstube des Cobia befindet sich an Land, direkt an der Küste. Hier konnten die Besucher sich verschiedene Stadien der Fische angucken. Besonders spannend ist die Geburt der Cobiafische.
Die Mutterfische schwimmen in großen Becken und jeden Tag, pünktlich zum Sonnenuntergang, geben sie die Fischeier frei. Männliche Fische befruchten sie anschließend. Wenn das geglückt ist, treiben die Eier nach oben. Die Fische halten das Wasser in ständiger Bewegung, sodass die Eier an der Wasseroberfläche abgefischt werden können. Bereits nach 24 Stunden schlüpfen die Fische, die dann ein bis zu zwei Millimeter groß sind. „Die Fische haben eine Art Lunchbox unter dem Bauch dabei, aus der sie sich für die ersten 48 Stunden versorgen können“, erklärt Remco de Waard. Ab dem dritten Tag werden Artemia, kleine Mikroorganismen, zugefüttert.
Wenn die Fische groß genug sind, um im offenen Meer zu weiterzuwachsen, werden sie in die absenkbaren SeaStations, zwölf Kilometer vor der Küste Panamas, umgesiedelt. „Wir achten dabei auf eine geringe Besatzdichte und setzen auf Futter aus hochwertigen Fischölen sowie natürlichen, im Meer vorkommenden Rohstoffen“, klärt Remco de Waard die Exkursionsteilnehmer auf. Auf vorbeugende Medikamente, Pestizide, Farbstoffe und Hormone wird hingegen verzichtet. Das versteht Open Blue als Teil seiner ökologischen Verantwortung. „Nur in einer gesunden Umwelt kann auch gesunder Fisch heranwachen. Deshalb übernehmen wir die Verantwortung dafür, dass die Meere und Gewässer im weiten Umkreis um unsere Zuchtanlagen sauber gehalten werden“, sagt de Waard. Vom Stolz der Mitarbeiter auf ihre Arbeit und dem Respekt für das, was Open Blue in Panama leistet, zeigt sich vor allem Mandy van Niersen vom Frischeparadies beeindruckt.
Fischzuschnitte schonen das Klima
Bis zur Schlachtreife wachsen die Tiere im offenen Meer bei stetiger Wasserströmung, wodurch sie sich eine feste Muskulatur zulegen, die dem Fischfleisch zugutekommt. Die Köche und ihre Mitreisenden durften, zurück an Land, auch einen Blick in die Schlacht- und Verarbeitungsanlagen werfen. Während bis vor zwei Jahren von hier aus größtenteils ganze Fische in die kulinarischen Tempel der Welt verschickt wurden, setzt man heute überwiegend auf Zuschnitte wie Loins oder Collars, die bei minus 70 Grad tiefgefroren werden. Auf diese Weise bleiben Geschmack und Farbe sowie die typische, feste Textur des Cobia-Fisches erhalten. „Frischer Fisch erschwert die Kalkulation für Einkauf und Küche: Einerseits durch die Ausbeuteschwankungen beim Filetieren, wo es auf jedes Gramm ankommt und wofür es jahrelange Übung braucht. Andererseits muss gewährleistet sein, dass der Frischfisch dann auch komplett verarbeitet werden kann – ein kalkulatorisches Risiko für den Gastronom“, weiß de Waard. „Deshalb übernimmt Open Blue die Vorarbeit und der Koch verwendet nur die Menge Fisch, die er gerade benötigt. So lassen sich Gerichte transparent kalkulieren und die Menge an Lebensmittelresten reduziert sich enorm.“ Open Blue verarbeitet den Cobia vom Kopf bis zur Schwanzflosse. Als Delikatesse gilt die ledrige Fischhaut, die beim Braten besonders knusprig wird.
Ein Produkt wie der Cobia ist erklärungsbedürftig und der Mehraufwand, der für die Fischzucht und das Wohl der Tiere betrieben wird, schlägt sich auch im Preis nieder. Christian Hertlein schreckt das allerdings nicht ab: „Nach meiner Erfahrung sind die Gäste bereit, mehr für ein Gericht auszugeben, wenn sie die Hintergründe kennen, ihnen der Mehrwert klar ist und sie die Produkte entsprechend wertschätzen können.“
Deutsche Köche übernehmen panamaische Küche
Der Cobia ist eine der ältesten Makrelenarten. Dank seines ungewöhnlich festen Fleisches lässt er sich auf vielfältige Weise zubereiten. Das haben die Teilnehmer der Panama-Exkursion beim Gastkochen im Restaurant Mahalo Panama bewiesen.
Der Cobia ist eine der ältesten Makrelenarten. Dank seines ungewöhnlich festen Fleisches lässt er sich auf vielfältige Weise zubereiten. Das haben die Teilnehmer der Panama-Exkursion beim Gastkochen im Restaurant Mahalo Panama bewiesen. Am Vormittag ging es dafür mit Küchenchef Carlos Lucas auf einem typisch panamaischen Markt. „Von der riesigen Auswahl an erntefrischem Obst und Gemüse kannst du bei uns nur träumen!“, schwärmt Tristan Brandt. Ihn hat der Ausflug direkt zu seinem Gang für das Restaurant Take-over am Abend inspiriert: Cobia sweet & sour. Dafür konfiert er Cobiafilet und reicht ein feines Süßkartoffelpüree dazu. Ingwergel sorgt für Schärfe, Zitrone für Säure und ein Zuckerrübengel für Süße bei diesem Gang. Dominik Wetzel von Transgourmet Cook verwendete den Cobia hingegen roh und verarbeitet ihn zu Ceviche, einem sehr landestypischen Gericht. Zum Fisch kombiniert er Yuccablätter und eine Zuckerrohremulsion. Kräuter- und Gewürzexperte Peter Scharf servierte hingegen ein geeistes Ananas-Chilisüppchen mit Cobia vom Holzkohlegrill und reichte panamaischen Gemüsesalat dazu.
Bei ihren Vorbereitungen bekamen die Köche aus Deutschland Unterstützung von Kollegen aus Panama. Mit José Olmedo ging ihnen sogar einer der bekanntesten Köche Panamas zur Hand. Für das deutsch-panamaische Menü mit Cobia in allen erdenklichen Variationen konnten die rund 70 Gäste des Restaurants Mahalo Tickets erwerben. Diese waren natürlich heiß begehrt. „Wann wird man schon von so vielen internationalen Spitzenköchen gleichzeitig bekocht? Das ist etwas Besonderes und da wollten wir unbedingt dabei sein!“, begeistert sich einer der Gäste.
Kulinarische Entdeckungstour durch Panama
Neben der Cobia-Zuchtanlage haben die reisefreudigen Panamabesucher auch eine Ananasfarm besichtigt. Diese hat besonderen Eindruck hinterlassen, denn nicht jeder wusste bereits, dass die süßen Früchte an etwa kniehohen Pflanzen mit scharfkantigen Blättern wachsen.
Anschließend ging es weiter zu einer Zuckerrohrplantage. Je trockener das Jahr ausfällt, desto konzentrierter ist der Zuckerrübensirup, der hier gewonnen wird. Als eine Art Abfallprodukt der Sirupherstellung entsteht Melasse, die wiederum zur Rumproduktion genutzt wird. Melasse und Wasser fermentieren je nach Qualitätsgrad des Rums im Holzfass über mehrere Jahre. Für ein rauchigeres Aroma werden die Fässer vor dem Befüllen mehrfach ausgebrannt. „In den ersten drei Jahren schmecken alle Rumsorten gleich, für einen Blend muss der Rum mindestens sieben Jahre reifen“, weiß Remco de Waard nach der Führung durch die Rumbrennerei Varela Hermanos Destilería Don José.
Spätestens nach diesen fünf programmreichen Tagen in Südamerika ist den Exkursionsteilnehmern mehr als klar, dass die Geschichte hinter dem Produkt beinahe so wichtig und relevant ist, wie die Qualität der Lebensmittel selbst. „Ein Blick hinter die Kulissen erweitert nicht nur den eigenen Horizont“, sagt Daniel Kübler, „sondern gibt dem Gastronom auch die nötigen Mittel an die Hand, um die Wertschätzung für die Waren, die er einsetzt, an seine Gäste weiterzugeben.“ Sternekoch Peter Scharff war von der Panamareise sogar so begeistert, dass er in Kooperation mit Open Blue für 2020 eine weitere kulinarische Fachexkursionsreise anbieten wird.