Zurück zu den Wurzeln des Eisgeschäfts

Eis ist ein bezahlbarer Luxus. Was es braucht, um richtig gutes Speiseeis herzustellen, was Gelatieri bei der Ortswahl für ihr Ladengeschäft bedenken sollten und wie sie ihre Eisdiele erfolgreich führen, erklären die Eismeister Giorgio Ballabeni und Allessandro Romeo. Auf der GELATISSIMO, der größten Fachmesse für handwerklich hergestelltes Speiseeis nördlich der Alpen, die vom 5. bis 9. Februar 2022 in Stuttgart stattfindet, sind sie mit dabei. Hier teilen sie in anschaulichen Workshops und technischen Vorführungen ihr Wissen und ihre besten Tipps zum Eis-Business mit dem Fachpublikum. Die Live-Shows finden auf der Bühne des Grand Prix GELATISSIMO statt und werden vom Levati Editori S.r.:L., Herausgeber des Magazins Gelato Artigianale, organisiert.

Parallel zum Bühnenprogramm haben die Besuchenden der GELATISSIMO auch Gelegenheit, die neuesten Produkte zur Herstellung von Speiseeis und zur Ausstattung ihres Eisgeschäfts bei den ausstellenden Unternehmen kennen zu lernen. Durch die Kombination von Wissenstransfer, Produktvorführungen und kollegialem Austausch wird die Fachmesse zum absoluten Pflichtprogramm für Gelatieri.

Anpassen statt aufgeben

Die zweite Sommersaison unter Corona-Bedingungen ist vorbei. Wie viele ihrer KollegInnen haben auch Ballabeni und Romeo mit der aktuellen Situation zu kämpfen. Ihre Devise: Anpassen statt aufgeben. „In München sind wir sehr abhängig vom internationalen Tourismus“, erklärt Giorgio Ballabeni. Seit über 15 Jahren ist der Gelatiere im Geschäft und betreibt mittlerweile sieben Läden in und um die bayerische Landeshauptstadt. „Durch Corona hat sich unsere Kundenstruktur geändert, es kommen mehr Einheimische zu uns als vorher. Außerdem haben sich die Mittagsgewohnheiten unserer KundInnen geändert. Vor Corona konnte eine Portion Eis das Mittagessen ersetzen. Die Leute kamen zusammen und haben es sich bei uns gut gehen lassen. Jetzt nehmen sie sich das Eis lieber mit. Darauf muss man sich eben einstellen“, führt Ballabeni aus. Ebenfalls weniger geworden sei der Service am Tisch. Stattdessen setzen viele Gelatieri auf Self-service. Für die Gäste, die aufgrund der Abstandregelungen ohnehin empfindlich auf Kontakt reagieren, sei das völlig okay. Und auch die BetreiberInnen der Eisläden schätzen die neue Situation, ist sie doch schlichtweg rentabler.

Corona mischt die Karten neu

Eismeister Alessandro Romeo auf der Gelatissimo
Eismeister Alessandro Romeo auf der Gelatissimo; (c) Landesmesse Stuttgart bzw. IKA Olympiade der Köche / VKD

Unter der Corona-Pandemie leiden vor allem jene KollegInnen mit großen Lokalen, vielen Tischen und hohen Mietkosten. Viele versuchen, ihr Angebot umzustellen, bieten jetzt auch Brunch und kleine Speisen an. Ein weiterer Ansatz ist die Ausweitung des Take-away-Geschäfts. „Die Ergebnisse sind durchwachsen“, gibt Allessandro Romeo, Gelatiere aus Verona, zu. Dennoch wird auch zukünftig niemand um dieses Geschäftsmodell herumkommen, wenn es darum geht zu überleben. „Damit müssen wir uns abfinden und unser Angebot eben situativ anpassen“, so der Eismeister.

Trotz Pandemie ist das Potenzial für Eisdielen in Deutschland groß und die Aussichten auf Geschäftserfolg hoch. „In Deutschland entstehen gerade spannende, neue Konzepte. Wobei sich die Spielregeln mit Corona geändert haben“, meint Giorgio Ballabeni. „Den KollegInnen, die ein neues Geschäft eröffnen wollen, muss bewusst sein, dass die Voraussetzungen heute andere sind: Mehr Take-away, kleinere Ladenfläche, weniger Mitarbeitende. Außerdem erfährt der mobile Eiswagen, den wir aus den 50er- und 60er-Jahren kennen, ein Comeback. Wir kehren quasi zurück zu unseren Wurzeln.“

Die Wahl der richtigen Lokalität

Wer sich für ein Geschäft mit festem Sitz entscheidet, hat bei der Wahl des Standortes zwei Möglichkeiten: Entweder eine gute Lage im Stadtzentrum mit dem Fokus auf Laufkundschaft und Touristen, dafür aber auch mit hohen Mietkosten oder eine Lokalität in Zentrumsnähe, wo die Mieten geringer sind, aber die Herausforderung besteht, sich erst einen loyalen Kundenstamm aufbauen zu müssen. Für Ballabeni ist die Wahl des Standortes vor allem eine Bauchentscheidung. „Bevor ich einen neuen Laden eröffne, besuche ich die Orte, die in Frage kommen, schließe die Augen und fühle mich hinein. Wie ist die Stimmung, das Licht, die Luft? Würde ich mich als Gast hier wohl fühlen?“, sagt der Münchner Eisdielenbetreiber. „So oder so… um ausreichend Kundschaft zu erreichen, braucht man ein gutes Marketing“, weiß Ballabeni. „Für unsere Branche hat sich Instagram bewährt, um das Angebot, den Laden und das Team zu zeigen. Eine informative Website schadet aber auch nicht.“ Damit die Eisdiele zum Geheimtipp wird, empfiehlt Ballabeni auf eine limitierte Sortenauswahl, Qualität und Frische zu setzen: „Zwölf Sorten sind gut zu schaffen und die Gäste verstehen, was man anbietet und was drin ist.“

Das Rezept zum Erfolg

Giorgio-Ballabeni_PM_MS_1121
Giorgio Ballabeni, Gelatiere aus München; (c) Landesmesse Stuttgart bzw. IKA Olympiade der Köche / VKD

Der Eismeister aus München hat für sich außerdem eine Erfolgsformel definiert: Die 3 T’s – Tesoro, Tecnologia e Talento. „Zuerst eignest du dir Wissen an – deinen Schatz – dann besorgst du dir gute Technik, um auch in größeren Mengen produzieren zu können. Ohne Talent brauchst du aber gar nicht erst anzufangen.“ Um herauszufinden, ob Talent für das Eismachen vorhanden ist, rät er jedem, zuerst zwei Jahren in verschiedenen Eisdielen mit unterschiedlichen Konzepten zu arbeiten. „Du verdienst in der Zeit vielleicht nicht viel, aber du gehst eben auch kein großes finanzielles Risiko ein, bevor du weißt, ob du dich am Markt überhaupt halten kannst. Und du lernst aus den Fehlern anderer, ohne sie selbst machen zu müssen.“

Bei der Auswahl der Rezepte für die eigenen Eiskreationen muss die Zusammensetzung an Fett, Zucker und Eiweißen richtig bewertet werden können. „Das und vieles mehr zur Eisherstellung lernt man am besten in einer der renommierten Gelato-Schools. Ohne Ausbildung und Training wird es nichts mit dem langfristigen Erfolg“, sagt Alessandro Romeo.

Der Erfolg kommt dann ganz plötzlich, weiß Ballabeni. „Bereite dich und dein Konzept von vornherein darauf vor, auch in größeren Dimensionen produzieren zu können“, rät der erfahrene Gelatiere. „Wenn du auf einmal 300 statt 50 Kilo Eis am Tag herstellen sollst, hast du definitiv Talent, brauchst aber eben die richtige Technologie.“ Er selbst habe damals, als er angefangen ist, die meiste Zeit des Tages in seinem Laden verbracht und seine Eismaschine mehr berührt als sein Sofa. Allein deshalb hätte sich die Investition in hochwertige Technik und Ausstattung gelohnt. „Hierbei zu sparen ist absurd! Ein Kilo Eis lässt sich noch problemlos mit einer Haushaltsmaschine in guter Qualität herstellen. Bei 50 Kilo steigt aber der Anspruch und für 300 Kilo oder mehr braucht es einfach vernünftiges Equipment“, so der Münchner Gelatiere.

„Entscheide dich, was du willst und tu, was dir gefällt!“

Um eine Eisdiele zu eröffnen, braucht es als erstes ein Konzept. Wichtige Entscheidungen sind dafür zu treffen: Soll das Eis schnell produziert werden oder haben die Eismischungen Zeit zum Reifen? Wie soll das fertige Eis präsentiert werden? Wird eine Theke benötigt oder direkt aus der Eismaschine verkauft? „Letzteres ist gerade sehr angesagt und immer mehr Gelatieri integrieren die frische Produktion vorne im Laden“, sagt Ballabeni. „Je nachdem, was dir Spaß macht – und das ist das wichtigste – solltest du dein Konzept umsetzen.“

In Ballabenis Eisdielen gibt es beispielsweise keine Eistüten, denn die kann er selbst gar nicht ausstehen. „Ich hasse es, Eis zu schlecken!“, gibt der Eismeister zu. „Stattdessen bekommen meine Gäste zum Becher einen echten Löffel. Das ist zwar teuer, aber es schmeckt einfach besser und macht was her. Ein weiteres No-go ist für mich Sahne. Es geht doch ums Eis!“ Von Trendeissorten wie Papayaaeis mit Kokosraspeln oder blau eingefärbtem Lavendeleis hält der Eismeister ebenso wenig. „Was gibt es besseres als richtig gut gemachtes Vanilleeis? Die Klassiker sind einfach unschlagbar!“ Im Verkaufsgespräch rät Ballabeni dazu, den Gästen Empfehlungen des Hauses auch zum Probieren anzubieten. So würde er es sich selbst wünschen.

Der Münchner Eismeister betont, dass Gelatieri viel mehr auf ihr Bauchgefühl hören sollten und nicht alles machen müssten, was die Kunden gerade wollen. Es sei immer besser, das zu machen, was man selbst gut findet und gut kann. „Das ist authentisch und auf Dauer leistbar. Außerdem macht das mehr Spaß.“

Wenn also das Eiscafé mit Herz und Seele betrieben wird, wenn das Angebot zur Kundschaft ebenso gut passt, wie zum Team hinter der Theke, wenn Gelatieri im Eislabor stehen, die ihr Handwerk verstehen, und wenn sich mit der technischen Ausstattung auch im ganz großen Stil produzieren lässt, dann kann das Eisgeschäft nur zum Erfolg werden.

Weitere Informationen unter www.messe-stuttgart.de/gelatissimo/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert