Sterneküche macht Schule

Projekt „Gesunde Schule“ mit Stefan Marquard

Es ist Montag und Frank Waldmann, Kantinenchef am Hannah-Arendt-Gymnasium in Lengerich bei Osnabrück, ist aufgeregt wie selten zuvor in seinem Leben. Ein berühmter Kollege kommt zu Besuch: Stefan Marquard wird mit den Schülern der Schulvertretung und mit Franks Koch-AG für alle Mitschüler Snacks und das Mittagessen zubereiten. Geschlafen hat Frank in den letzten Tagen kaum. „Man will sich ja nicht blamieren und der Tag heute ist für uns alle etwas ganz Besonderes“, erzählt der Koch. „Es gab noch eine Menge zu organisieren, alle Räume wurden extra ordentlich gereinigt, für die bis zu tausend Portionen mussten ausreichend Lebensmittel vor Ort sein und und und. Den Großteil der Waren hat Transgourmet gestellt“, führt der Koch aus. Er ist überzeugt, dass sich solche Projekte nur mit starken Partner realisieren lassen. Auf Transgourmet kann er sich da verlassen.

Vertrauen in die frische Küche aus der Kantine

Frank Waldmann hat sich für den Schüler-Kochkurs mit Stefan Marquard beworben, denn es stehen große Veränderungen für die Schule an. Das Gymnasium, die Haupt- und die Realschule sollen zu einer Gesamtschule zusammengelegt werden. Für die Verpflegung wollen die Verantwortlichen einen namhaften Caterer engagieren, wie Frank erfahren hat. „Was die können, schaffen wir längst – vielleicht sogar besser – definitiv aber mit frisch zubereiteten Gerichten. Dazu braucht es nur einige Umbaumaßnahmen im Küchenbereich – und etwas Vertrauen“, beteuert Frank. Mit Stefans Hilfe will er beweisen, dass frische Küche auch für mehrere tausend Schüler möglich ist. Für Frank hängt einiges vom Erfolg des Tages ab. Nachvollziehbar, dass er da leicht nervös ist.

Später wollen auch noch der Bürgermeister, die Vertreter der Schule und des Vereins, der die Kantine finanziert, vorbei schauen. Der Druck auf den Koch steigt.

Kulinarische Bildung an Schulen

Mit seinem Programm „Sterneküche macht Schule“, das von der Knappschaft gefördert wird, tourt Stefan Marquard seit 2016 durch die Lande, immer im Auftrag der kulinarischen Weiterbildung. In über 70 Kantinen an Schulen, Kindergärten und Universitäten hat der Sternekoch zusammen mit dem Küchenteam vor Ort den Schülern und Studenten das Thema gesunde Ernährung und die frische Küche näher gebracht. Jetzt also auch in Lengerich bei Frank Waldmann.

Bereits um 7 Uhr sind alle Helfer versammelt. Langsam füllt die Kantine sich mit Schülern, die allesamt mit roten Schürzen ausgestattet sind. Zuerst sind die Großen aus der Zehnten dran, überwiegend Schüler aus der Schulvertretung, die extra für den Kochkurs in ihrer Kantine freigestellt wurden. Später dürfen die Fünft- und Sechstklässler aus Franks Koch-AG mithelfen. „Heute richtet die Schule sich mal nach uns“, sagt Frank stolz. Er hat einiges vor. Knapp 1.000 Smoothies, 600 Gemüsespieße und 500 Portionen Mittagessen müssen in der kleinen Küche zubereitet werden. Nicht nur der Platz in der Küche ist begrenzt, auch in Sachen Zeit wurde eher knapp kalkuliert. „Eine mega Leistung, wenn wir das alles auf den Punkt schaffen“, sagt Wolfgang Marquard, Stefans Bruder und rechte Hand. Die zwei kochen „seit einer gefühlten Ewigkeit“ zusammen. Wolfgang, der von allen nur Wall genannt wird, ist Eventcaterer. Solche Koch-Events mit Kindern liegen ihm, sagt er. „Große Mengen sind genau mein Ding, deshalb machen Stefan und ich so was wie heute auch zusammen. Stefan ist die Rampensau, der Macher vorne. Ich kümmere mich darum, dass hinten alles läuft“, meint Wall gelassen. Unter seiner Leitung schnippeln die Schüler Gemüse und Obst für die Smoothies und die Gemüsespieße. Drei Varianten, mit Fisch, mit Fleisch und vegetarisch, soll es zu verschiedenen Dips geben. Die Spieße stecken die Kinder auf vorbereitete Bretter, schließlich isst das Auge mit. „Du musst Gemüse einfach geil präsentieren, dann essen die Kinder das!“, ist Stefan überzeugt.

Im vorderen Teil der Kantine wird derweil fleißig Gemüse geputzt. „Das ist Spitzkohl. Den esse ich total gerne! Und das ist Sellerie“, weiß Marlene. Ihr Vater ist selbst Koch und von ihm hat sie schon einiges gelernt. Das Wissen teilt sie gerne mit ihren Mitschülern. „Aus der Schale vom Gemüse und von den Zwiebeln können wir noch Brühe oder Soßen zubereiten. Das muss nicht zwangsläufig weggeschmissen werden.“ Es ist beeindruckend, wie gut die Jungköche sich mit Lebensmitteln auskennen. Dennoch gab es für alle Neues zu lernen, selbst für den gestandenen Kantinenkoch Frank Waldmann.

Aktivieren spart 75 % des Garprozesses

So empfiehlt Stefan Marquard, das Gemüse vor der Zubereitung zu „aktivieren“, indem er es mit einer Mischung aus fünf Teilen Salz und einem Teil Zucker bestreut. „Das spart 75 Prozent des Garprozesses“, sagt der Sternekoch. „Früher wurde überwiegend blanchiert. Das kostet aber Zeit und jede Menge Energie. Es lohnt sich, zu hinterfragen, was uns beigebracht wurde.“

Mit Stefans Methode soll es so gut wie keinen Gewichtsverlust geben. „Gemüse muss in erster Linie nach sich selbst schmecken, nach Belieben und Gusto kann man mit Gewürzen variieren“, führt Stefan gegenüber Frank und seinem Team aus. Mit Fisch und Fleisch funktioniert das Aktivieren ebenso. Fisch kommt anschließend bei 45 Grad für eine Stunde in den Kombidämpfer, Fleisch braucht 70-75 Grad. Auf diese Weise seien die Lebensmittel bis zu einer Woche abgedeckt im Kühlhaus lagerfähig, wie Stefan erklärt. „Wenn ich es benötige, hole ich Fisch und Fleisch portionsweise raus, noch kurz bei großer Hitze in die Pfanne oder auf den Grill. Fertig“, erklärt der Sternekoch. „So geht frische Küche heute!“

Buletten sind Mogelpackungen

Stefan zeigt der Küchenbrigade nicht nur, wie die Küche frischer und schneller wird, er verrät auch, wie der Gemüseanteil auf dem Teller zunimmt, ohne dass es jemand merkt: „Ich mache Mogelpackungen von den Buletten: Halb Gemüse, halb Fleisch. Das merkt keiner und es schmeckt den Kindern.“

Für die heutige Bulettenproduktion sind Joanna, Jonas, Aliesa und Eric eingeteilt. Die Idee mit dem Gemüse in den Frikadellen gefällt ihnen. Vor allem, weil sie es selbst machen und sehen, was verwendet wird. „Die Schüler sind meine Agenten nach draußen“, betont Stefan. „Deswegen ist es so wichtig, dass wir sie mit einbinden.“

Berührungsängste haben die Schüler und Schülerinnen scheinbar nicht, aber Respekt vor den Lebensmitteln, die sie verarbeiten. Während Joanna und Eric wie selbstverständlich mit den 10-Kilogramm-Stücken Rindfleisch hantieren und es vorportionieren, aktivieren und schmoren Jonas und Aliesa Blumenkohl und Zwiebeln. Das Schwenken der großen, schweren Pfannen will geübt sein, aber nach den ersten Versuchen klappt es ganz gut. „Ich könnte mir Koch als Beruf vorstellen“, sagt Jonas. Ihm gefällt der Tag in der Küche daher besonders.

Gemüse wird untergejubelt

Am Fleischwolf kommen alle wieder zusammen, um Fleisch und Gemüse fein zu kuttern. Auf die Frage, ob die Schüler schon mal mit einem solchen Gerät gearbeitet haben, antwortet Eric trocken: „Klar. Wir haben selbst einen zu Hause. Der wird aber mit der Hand betrieben.“ Erstaunlich, wie gut diese Kids sich auskennen. Hier haben die Eltern bereits einiges an kulinarischer Vorerziehung geleistet.

Zu den Buletten, die nun noch gedreht und gegart werden, wird es eine vegane Paprikasoße, Bulgur und Rahmgemüse geben. „Butter Sahne und Milch verarbeiten wir schon lange nicht mehr“, sagt Stefan. Die Grundlage für helle Soßen ist weißes Gemüse, das er mit Apfelsaft, Mandel- oder Sojamilch, Thymian und Rosmarin, etwas Muskat, Salz und Pfeffer kocht und dann püriert. Sowohl geschmacklich als auch optisch bestehen die gemüselastigen Kreationen des Sternekochs bei den Schülern. „So muss ein Teller aussehen!“, kam das direkte Feedback beim Mittagessen, zu dem auch die Schul-, Stadt- und Vereinsvertreter anwesend waren. „Ich würde das genauso auch bestellen“, beteuert eine Schülerin noch mal und fragt bei Frank direkt nach dem Rezept.

Schüler sind die Botschafter ihrer Generation

„Ich glaube, viele wissen gar nicht, dass in unserer Kantine mit frischen Zutaten gekocht wird“, stellt Jonas fest. „Nach dem Tag heute können wir alle ganz anders wertschätzen, was die Leute hier leisten.“ Und auch seinem Mitschüler Tom hat es gut gefallen, die Schule mal von einer ganz anderen Seite kennen zu lernen. „Man merkt an solchen Tagen, wie viel Aufwand hinter so einer Küche steckt.“ Was die Küchenmannschaft jeden Tag leistet, beeindruckt die Schüler und Schülerinnen nachhaltig. „Das, was wir hier heute mit der großen Mannschaft gemacht haben, müssen Herr Waldmann und seine Kollegen morgen wieder alleine schaffen. Das ist echt viel Arbeit!“, sagt Vincent.

Für den Kantinenleiter ist die allseitige, positive Resonanz ein klares Zeichen, dass seine Idee einer frischen Küche für die kommende Gesamtschule Zukunft hat. Das macht Mut. Als wichtigste Botschaft des Tages nimmt Frank für sich mit, dass es vor allem Transparenz, Offenheit für Neues und die Kommunikation mit den Schülern braucht, um seinen Plan in Realität zu verwandeln. Nach dem Tag mit Stefan Marquard fühlt der Koch sich den kommenden Aufgaben und Herausforderungen zunehmend gewachsen.

Aha-Effekt für das Küchenteam

Nach dem Kochkurs ist das Intensivtraining mit Stefan Marquard für Frank und sein Küchenteam noch nicht vorbei. Die besten Tricks packt der Sternekoch jetzt für die Profis am Herd aus. Und auch nach diesem Tag geht es für Frank weiter. „Wir lassen die Leute nicht allein, sondern laden sie zur Nachschulung in meine Akademie ein“, sagt Stefan. „Nicht alle Umstellungen klappen auf Anhieb. Das braucht Zeit. Bei dem Treffen in der Akademie können die Kollegen sich austauschen und alles noch mal verinnerlichen.“

Dass die Kochkurse mit Stefan Marquard von seinen Kollegen so gut angenommen werden, freut auch Sandra Piehl von der Knappschaft Bochum. „Wir unterstützen das Programm zu Präventionszwecken. Stefan ist unser Botschafter der gesunden Ernährung. Er spricht auf Augenhöhe, ohne erhobenen Zeigefinger“, sagt sie. „Der Funke springt schnell über und alle ziehen an einem Strang. Das zu beobachten, ist fantastisch.“

Der Artikel ist zuerst im Transgourmet-Magazin „Passion Genuss“ 02/2019 erschienen.

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