Digitalisierung beeinflusst schon jetzt alle Bereiche des Gastgewerbes stark. Die Entwicklung in diesem Bereich ist rasant – allerdings muss man sie sich auch leisten können. Wie gehen das Thema norddeutsche Betriebe an? Je nach Hotelgröße sehr unterschiedlich und dennoch mit demselben Ziel vor Augen, wie sich anhand von Beispielen wie dem privat geführten Posthotel Hünerbein in Osnabrück und der Hotelkette prizeotel zeigt.
Digitalisierung ist nicht aufzuhalten
„Bevor Hoteliers die Digitalisierung ihrer Betriebsabläufe angehen, sollten sie die bestehenden Prozesse hinterfragen“, empfiehlt Constantin Rehberg, Chief Digital Officer bei prizeotel. „Ist es überhaupt zielführend, Abläufe und Bereiche zu digitalisieren oder hakt es bereits jetzt? Bringt eine Digitalisierung den Betrieb voran oder werden eingefahrene Fehler lediglich digital weitergeführt? Es lohnt sich bei der Analyse der Geschäftsabläufe sehr selbstkritisch vorzugehen“, betont er.
Am einfachsten lassen sich laut Rehberg standardisierte Prozesse digitalisieren. Gute Ideen, wie die Abläufe im Hotel smarter gestaltet werden können, kommen unter anderem von der Belegschaft. Schließlich sind sie es, die diese Systeme verstehen und hauptsächlich anwenden müssen. Bei prizeotel werden Anregungen in einem digitalen Ideenpool gesammelt, regelmäßig mit den Mitarbeitern diskutiert und die Umsetzung möglichst schnell beschlossen. „90 Prozent der Ideen werden nicht umgesetzt, weil sie nicht funktionieren oder nicht auf die Marke einzahlen, beziehungsweise nicht bei den Gästen ankommen“, gibt Rehberg zu. „Wir machen lieber zehn Prozent richtig gut und fokussieren uns darauf.“
Kleine Betriebe profitieren stark von Digitalisierung
Wer jetzt allerdings glaubt, dass das Thema nur von den Großen angegangen wird und die kleineren Betriebe dabei hinten anstehen, irrt. Denn gerade für privat geführte Hotels hat eine zunehmende Digitalisierung enorme Vorteile für Mitarbeiter und Gäste.
Carsten Hünerbein betreibt das Posthotel Hünerbein in Osnabrück und modernisiert seinen Betrieb seit der Eröffnung peu à peu. Zuletzt ist er die Gästemappen angegangenen. Statt der gebundenen Version, steht den Gästen auf jedem Zimmer ein Tablet zur Verfügung. Darauf finden sie alle Informationen zum Hotel, zu möglichen Unternehmungen in der Gegend und zum touristischen Angebot – ganz wie es von der traditionellen Gästemappe bekannt ist. Das hoteleigene Restaurant präsentiert sich über das Tablet ebenfalls, unter anderem mit seiner wechselnden Speisekarte, und bietet die schnelle Tischreservierung mit nur wenigen Klicks an. Außerdem sind natürlich die direkte Kontaktaufnehme zur Rezeption und die bequeme Nachbuchung einer weiteren Übernachtung möglich. Darüber hinaus haben die Gäste über eine entsprechende Software auf dem Gerät Zugriff auf über 500 Zeitungen und Magazine. „Das passt einfach besser zum Lifestyle unserer Gäste, überwiegend Geschäftsreisende, die beim Kaffee am Morgen die Nachrichten digital lesen wollen“, erklärt Hünerbein.
Über das Tablet können die Gäste sogar den smarten Fernseher auf dem Zimmer steuern oder die Temperatur im Raum mit einem Wisch regulieren. Im Zimmer sind darüber hinaus Thermostate installiert, die mit den Tablets und der Hotelsoftware gekoppelt sind. Die Thermostate registrieren, wenn ein Fenster über lange Zeit offen steht, übermäßig oder – bei Nichtbelegung – unnötig geheizt wird. Automatisch stellt das System sich auf die Umstände ein und fährt die Heizung hoch, beziehungsweise runter. Alleine darüber erhofft Hünerbein sich eine erhebliche Reduktion der Energiekosten.
Investition in die Zukunft lohnt sich
Die Investition in die Tablets lohnt sich in dieser Hinsicht also. Insgesamt halten sich die Kosten für die Anschaffung der technischen Geräte und die benötigte Software für ein Hotel, wie es von Carsten Hünerbein geführt wird, in Grenzen. Schließlich müssen nicht hunderte, sondern lediglich 15 Zimmer umgerüstet werden. Das macht die Digitalisierung für kleinere bis mittlere Betriebe leichter und schneller umsetzbar als für Hotelketten. Aber ganz gleich, wie groß der Betrieb ist, wichtig ist laut Constantin Rehberg von prizeotel, dass die Maßnahmen wohl durchdacht und gut geplant sind, in erster Linie aber refinanzierbar sind und auf die Marke des Hotels einzahlen.
„Unsere Gäste nehmen den Service sehr gut an“, sagt Carsten Hünerbein. „Allerdings muss man schon ehrlich zugeben, dass kein Gast die Digitalisierung bei uns im Hotel einfordert oder explizit erwartet.“ Seiner Meinung nach gehört das einfach zunehmend zum Standard und wer da nicht mitzieht, sei auf lange Sicht nicht zukunftsfähig. „Die Digitalisierung der Betriebsabläufe ist heute wichtiger denn je“, betont der Hotelier. „Sich da reinzufuchsen und mit den zahlreichen Möglichkeiten intensiv auseinander zu setzen, ist viel Arbeit, aber der Aufwand lohnt sich allemal.“ Ist ein Projekt abgeschlossen, folgt das nächste. Nicht immer klappt alles auf Anhieb reibungslos, aber Hünerbein bleibt am Ball. So ist die Umstellung der Gästemappen bei Weitem nicht die erste Maßnahme, die er umgesetzt hat. Vor drei Jahren wurden auf allen Zimmern Smart-TVs installiert, die – selbstverständlich für den aufgeschlossenen Hotelier – mit den eigenen Geräten der Gäste kompatibel sein sollten.
Auch prizeotel setzt auf die Vorteile von Smart-TVs, die die Hotspots der Stadt kennen, lohnenswerte Freizeitaktivitäten aufzeigen und bei optimaler Vernetzung der Hotelsysteme sogar wissen, wie ausgelastet die Wellness- und Fitnessbereiche sind. Die Buchung von Sportgeräten, Sightseeing-Programmen oder einem Mietwagen sind über die smarten Geräte ebenso möglich. „Das kann eine coole Sache sein, aber da muss dann einfach alles stimmen und die Systeme müssen tadellos ineinander greifen“, sagt Constantin Rehberg. „Manchmal brechen wir ganz bewusst mit der Erwartungshaltung an unsere digitalisierten Services und legen zum Beispiel Stammgästen eine handgeschriebene Karte aufs Zimmer oder laden sie persönlich auf einen Kaffee in der Lobby ein.“
Mitarbeiter profitieren vom technischen Fortschritt
Carsten Hünerbein bietet nicht nur für seine Posthotel-Gäste technischen Fortschritt. Die ersten, die von seinem Engagement profitierten, waren seine Mitarbeiter. Dank zunehmender Digitalisierung lässt sich die Arbeit deutlich vereinfachen. Vor zwei Jahren stattete er die Kolleginnen aus dem Housekeeping deshalb mit Tablets aus. Darauf ist in Echtzeit die Belegung der Zimmer einsehbar. Per Push-Nachricht informiert das Gerät darüber, wenn ein Gast frühzeitig auscheckt oder die erneute Reinigung des Zimmers gewünscht ist.
Digitales Backoffice sorgt für Qualitätssteigerung
Die Kommunikation unter den Kollegen vereinfacht eine App, die ebenfalls den Zugriff auf die aktuelle Dienstplanung ermöglicht. Mit einem persönlichen Zugang können die Mitarbeiter zudem ihre Arbeitsstunden erfassen und laufende Lohnabrechnungen einsehen. Mittlerweile funktioniert die Buchhaltung im Posthotel über Datev online komplett digital. In anderen organisatorischen Bereichen wird ebenfalls zunehmend auf digitale Prozesse umgerüstet. „Durch die Digitalisierung sparen wir uns den elendigen Papierkrieg. Wir konnten unsere Ordnermenge im Büro auf 20 Prozent reduzieren, haben also mehr Platz als vorher“, erklärt Carsten Hünerbein. Die Daten und Hotelunterlagen sind sicher in einer Cloud gespeichert, somit jederzeit von überall einsehbar und schnell verfügbar. „Eine absolute Qualitätssteigerung!“, freut sich der technikaffine Hotelier.
Arbeitserleichterung in allen Bereichen
Das Thema Digitalisierung gewinnt ebenfalls in der Küche an Bedeutung. Stichwort: vernetzte Küchentechnik. Moderne Geräte sind untereinander vernetzt, kommunizieren sogar miteinander. Smarte Küchengeräte sind in der Lage, Produktionsschritte ohne Zeitverlust aufeinander abzustimmen. Zudem werden dank sensibler Sensoren eventuelle Fehler frühzeitig erkannt und direkt gemeldet. Carsten Hünerbein setzt beispielsweise auf eine intelligente Spülmaschine, die Fehlermeldungen über die Hotelsoftware direkt per E-Mail weitergibt. Ebenso die Kühlhäuser sind vernetzt, die Temperaturkontrolle funktioniert automatisch und die Daten können die Kollegen aus der Küche tagesaktuell abrufen.
Digitalisierung bietet mittlerweile so viele praktische Lösungen. Egal ob Booking, Kitchen oder Facility Management, Personalorganisation, Warensteuerung, Abrechnung, Marketing und vieles mehr. Es gilt die Schnittstellen im Blick zu behalten und sie aufeinander abzustimmen. Dafür müssen die verschiedenen Lösungsansätze miteinander verglichen werden, um entscheiden zu können, welche Modelle zum Betrieb passen. Kontinuierlich und Schritt für Schritt finden die Maßnahmen im Alltag Platz und Anwendung – sowohl im Posthotel Hünerbein als auch bei den Big Playern der Branche.
Der Artikel erschien zuerst in der AHGZ – Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung