Eine Liebe für’s Leben verbindet Salat und Dressing unzertrennlich miteinander. Doch das Image könnte besser sein. Salat gilt als Speise des Verzichts, während beim Dressing über die Zweckmäßigkeit eines Fertigproduktes diskutiert wird.
Die perfekte Symbiose
Irgendwo in Mitten der Republik in einem netten, kleinen Restaurant – nennen wir es „Zur Post“ – sitzen Stefan und Nicole bei Kerzenschein an einem Tisch zusammen. Die Vorspeise, italienische Anti-Pasti, haben sie sich bereits geteilt. Sie haben sich erst vor kurzem über eine der einschlägigen Apps kennengelernt und heute, Anfang April, sind sie das erste Mal verabredet. Nach einigen Minuten verlegenen Schweigens schwingt die Tür zur Küche auf und die resolute Dame, die auch ihre Bestellung aufgenommen hat, schwankt ihnen mit zwei großen Tellern entgegen. Das Steak, medium gebraten, mit mariniertem Gemüse und Schwenkkartoffeln findet wie selbstverständlich bei Stefan seinen Platz, während Nicole den großen Schafskäse-Salat vorgesetzt bekommt. „Guten Appetit!“ wird den Turteltäubchen noch gewünscht, dann ist die Bedienung auch schon wieder verschwunden. Unbemerkt tauschen Stefan und Nicole ihre Teller.
Kampf mit Klischees
„Diät“, murmelt Stefan verlegen. Zu den Weihnachtstagen habe er ganz schön zugelangt und nun seien die Hemden zu eng, verrät er Nicole. Also eben Salat. Und damit sind wir schon wieder bei einem Klischee. Ebenso selbstverständlich wie die Frau, die an diesem Abend für den Service im Restaurant zuständig ist, den Salat vor Nicole platzierte, gilt das Grünzeug als freudlose, kalorienarme Alternative, die eben nur zu Zeiten der Entbehrung gewählt wird.
Und zugegebenermaßen findet man die wirklich raffinierten Salate – jene, die mit schmackhaften Dressings, dem berüchtigten gewissen Extra und auf einem Teller vereinten, unterschiedlichen Konsistenten und Temperaturen überzeugen – nicht oft auf der Speisekarte. „Salat kann durchaus mehr leisten, als eine schnöde Beilage abzugeben oder als langweilige Vorspeise auf der Karte zu versauern!“, ist Yvonne Kollmann überzeugt. Sie arbeitet als Küchenchefin im Restaurant des Hotels Peterchens Mondfahrt auf der Rhöner Wasserkuppe, Hessens höchstem Berg.
Dressings am liebsten hausgemacht
Yvonne Kollmann war lange Zeit Mitglied der Koch-Nationalmannschaft und setzt auf regionale Spezialitäten und eine saisonal wechselnde Karte für das Restaurant, in dem bis zu 120 Gäste Platz finden. Die Dressings für ihre Salatkreationen bereitet Yvonne Kollmann am liebsten selbst zu. „Das geht ja auch fix. Und mehr als ein gutes Öl, eine Säure-Komponente, Salz, Pfeffer und einen Emulgator für die Stabilität braucht es eigentlich auch nicht“, betont die Köchin.
Oliven- oder Rapsöl zählen zum Standardrepertoire des Gardemangers. Für mehr Pepp rät Yvonne Kollmann zu intensiveren Ölen wie Kokos- oder Sesamöl im Dressing, „je nachdem, wo es geschmacklich hingehen soll“ wie sie sagt. Für eine angenehme Säure setzt die Küchenchefin auf eigene Essigsorten wie Nussessig oder verwendet Fruchtsäfte und feine Pürees.
Convenience muss zur Küche passen
Dennoch ist es nicht verkehrt, für den unwahrscheinlichen Fall einer Panne, wenn etwas nicht vorrätig ist oder es einfach an Zeit mangelt, eine gute Backup-Lösung in der Hinterhand zu haben. „Dass ein fertiges Dressing verwendet wird, gibt kaum ein Koch gerne zu. Daher sollte es in Qualität und Geschmack schon sehr nah an ein selbstgemacht gemachtes heran reichen“, sagt Thomas Fleischer von Märker Fine Food, dem Feinkosthersteller aus Barsbüttel bei Hamburg. Der Gastronomieberater weiß, wovon er spricht, war er doch selbst jahrelang als Koch tätig. Als Hauptgründe für ein servierfertiges Dressing werden in erster Linie die Konstanz im Geschmack und der geringere Zeitaufwand genannt.
Dennoch: Um das passende Dressing für die eigene Küche zu finden, sollten die Grundlagen der Herstellung bekannt sein, ist Yvonne Kollmann überzeugt, denn nur wer das Handwerk beherrscht, sei in der Lage, passende conviente Lösungen auszuwählen.
Herausforderung für den Gardemanger
Yvonne Kollmann wandelt ihre Dressings gerne mit wenigen Handgriffen ab und individualisiert sie so, dass sie zum aktuellen Speisenangebot im Restaurant passen. „Im A-la-Carte-Restaurant kommt unser French Dressing mit Senf und Mayonnaise am häufigsten zum Einsatz. Ich würze es gerne mit etwas Ras el Hanut nach oder gebe für die gewisse Schärfe eine Prise Piment Espelet hinzu. Das bringt mehr Spannung rein.“
Dressings sind wie das Salz in der Suppe. Wichtig ist, dass sie den Eigengeschmack der Salate unterstützen und perfekt mit ihnen harmonieren. Wie in einer guten Partnerschaft eben. Vom Dressing zur Marinade ist der Schritt auch nicht weit und so wundert es nicht, dass einige Anbieter ihre Dressings gleich so konzipieren, dass sie für den warmen Einsatz ebenso geeignet sind. „Das Schöne an Dressings ist ja, dass sie einerseits so vielseitig sind und andererseits kann ich aus den Grundzutaten fix einen Dip oder eine Creme zu unserem frischen Brot daraus herstellen“, so Yvonne Kollmann. Ein ähnliches Prinzip fährt Hügli, die neben servierfertigen Dressings auch Trocken-Dressings anbieten. Diese werden vor dem Servieren mit einem guten Öl und Wasser angerührt. „Mit der Trockenmischung lassen sich auch Dips, Brotaufstriche und Kräuterbutter verfeinern“, lautet die Empfehlung des Unternehmens.
Für Köche mit blühender Fantasie
Verschiedene Texturen und Temperaturen im Mund sorgen zusätzlich zum gut abgeschmeckten Dressing dafür, dass ein Salat alles andere als langweilig schmeckt. Salat ist nicht gleich Salat und so lohnt sich der Blick in die Welt der Baby oder Micro Leafs. Die zarten Pflänzchen überzeugen mit süßen, nussigen und waldpilzähnlichen Aromen, die ihren großen Brüdern bereits abhandengekommen sind. Auch mit knackigen Sprossen oder essbaren Blüten auf oder im Salat erregen Gastronomen Aufsehen. Diese liefert der Keltenhof aus der Nähe von Stuttgart direkt in die Küche. „Nahezu jedes Gericht sieht durch leuchtend bunte Blumen noch verführerischer aus“, sagt Keltenhof-Geschäftsführer Gerhard Daumüller.
Kreativ austoben können sich Köche auch beim Topping zum Salat. Wie wäre es zum Beispiel mit gepoppter Schweineschwarte oder mit einem in Bierteig ausgebackenem Holunderblütenzweig, der für mehr Crunch sorgt? Außergewöhnliche Geschmackserlebnisse verspricht auch Wiberg mit aromatischen Wasabi-Nüssen, Rauchpaprika-Croûtons oder mit einer Mischung aus Amaranth-Poppcorn und Mohnblüten. „Genau diese Extras erheben den Salat aus der Grauzone zu einem wahren Highlights auf der Karte!“, ist Yvonne Kollmann überzeugt.
Der Artikel erschien zuerst in der Küche Nr. 4