Streift man durch Londons Nachtleben, fallen einem die vielen Menschen auf, die mit ihren Bierbechern lieber vor der Tür der Pubs stehen, als im Warmen zu sitzen, die eine beinahe religiös anmutende Wochenendkultur zelebrieren und spätestens um ein Uhr mit dem ‚Black Cab‘ nach Hause fahren oder in einem der vielen Breakfast-Restaurants einkehren.
Die Londoner sind schon ein spezielles Volk, gefangen zwischen alten Traditionen und einer energiegeladenen Kreativität. Schrille Farben, Plateauschuhe und Miniröcke, lange Ketten und bunt gefärbtes zotteliges Haar, zerrissene Shorts zum Pelzmantel – das ist das junge London, das seinem Wunsch, aus den starren Strukturen auszubrechen, Ausdruck verleiht. Diese kleine, bunte Welt koexistiert Schulter an Schulter mit dem London, das sich lieber in klassischen Pastelltönen kleidet und frisch frisiert die Oxford Street entlang schlendert.
„London ist eine wilde Mischung aus allem, mit oder ohne Geschmack“, soll es der gefeierte Sternekoch Pierre Gagnaire zusammengefasst haben. Und damit scheint er gleichzeitig das Konzept des sketch zu beschreiben, das diese vermeintlichen Widersprüche der Londoner wie kein anderes vereint. Gagnaire eröffnete das sketch im Jahr 2003 zusammen mit einem der ambitioniertesten Gastronomen Englands, Mourad Mazouz.
Mazouz‘ Vision von der Verschmelzung von Kunst und Kulinarik
Für einen guten Freund war Mourad Mazouz einige Jahre zuvor auf der Suche nach einer passenden Location für einen geplanten Nachtclub in London. Endlich fand er geeignete Räumlichkeiten in einem viktorianischen Gebäude im prestigeträchtigen Stadtteil Mayfair. Doch als Mazouz seinem Freund die frohe Nachricht überbringt, macht der einen Rückzieher. Nun stand Mazouz also vor der Entscheidung, das Gebäude anderen Interessenten zu überlassen oder selbst zu kaufen. Aus einem Impuls heraus unterschrieb er den Vertrag – ohne zu wissen, was er mit den Räumen anfangen sollte. Lediglich die Vision, eines Hauses, in dem Kunst und Kulinarik miteinander verschmelzen sollten, trieb ihn an. Gagnaire erschien ihm als geeigneter Partner für dieses Unterfangen. Die Mischung aus Musik, Kunst, Essen, und Gästen aus aller Welt reizte den Koch und so ließ er sich auf dieses Projekt ein.
Endet der Traum vom sketch im finanziellen Ruin?
Die Renovierungsarbeiten am alten Gebäude waren umfangreicher als zu Beginn angenommen und zogen sich über viereinhalb Jahre. Zudem musste das benötigte Budget vervierfacht werden. Doch nach all den Mühen regnete es erst einmal herbe Tiefschläge. Die britische Presse überschüttete das sketch nach der Eröffnung mit Häme. Offensichtlich hatten selbst die exzentrischen Londoner anfangs Schwierigkeiten mit dieser Art der Gastronomie, waren mit dem neuartigen Konzept schlichtweg überfordert. Aufgeben war jedoch keine Option, auch wenn Mazouz und Gagnaire in den ersten zwei Jahren ein Minus von zwei Millionen Pfund einfuhren. „Es ging mir darum, mich weiterhin im Spiegel ansehen zu können und zu wissen, dass ich mein Bestes gegeben habe“, erinnert Mazouz sich. Der Traum sollte unbedingt Wirklichkeit werden.
Mazouz vergleicht ein Restaurant gerne mit einer Blume: Das Essen, die Kulinarik, stehen sinngemäß für das Zentrum der Blüte. Die Leidenschaft für das Gastgebertum, ein herzliches Ambiente, guter Service und elementare Dinge wie die Beleuchtung und das Dekor stellen die Blütenblätter dar. Nimmt man der Blume ihre Blätter, sei es kein Restaurant mehr, ist der Gastronom überzeugt. Mazouz und Gagnaire glaubten an ihr Konzept und machten einfach immer weiter. Schlussendlich sollten sie für ihr Durchhaltevermögen belohnt werden. Heute strömen Menschen aus aller Welt ins sketch. Dabei haben sie die Wahl zwischen zwei Restaurants und drei Bars, die ihnen beim Betreten das Gefühl geben, selbst Teil einer Kunstinstallation zu werden.
Berauschender Spaziergang durchs Wunderland
In zuckersüßes Pink ist die Brasserie The Gallery getaucht. Hier nehmen die Gäste in rosafarbenen Samtsesseln Platz und verspeisen zur Teestunde feinste Patisserie. Für ein satirisches Kontrastprogramm sorgen die bissigen Kunstwerke des britischen Künstlers David Shrigley, der sich nicht nur der Wandgestaltung, sondern auch dem Design des Teeservices angenommen hat.
Stufen, die aussehen, als habe jemand eimerweise Farbe darauf verschüttet, führen die Gäste nach dem Tee hinauf ins Restaurant The Lecture Room & Library**. Oben angekommen befällt einen das Gefühl, in einem riesigen Kaleidoskop zu stecken. Leuchtendes Orange und geometrische Formen prägen den Raum. Für die verspielten französischen Menüs, die hier kredenzt werden, ist Gagnaire federführend verantwortlich, während der junge Österreicher Johannes Nuding die Rolle des Küchenchefs hervorragend ausfüllt. Seit 2018 zieren zwei Michelin-Sterne das Restaurant.
Der eindrucksvollste Raum ist aber wohl die Bar The Glade, in der magische Waldlandschaften an den Wänden wuchern, und zu Füßen der Gäste ein Waldboden nachempfunden wurde. Ein transparentes Klavier in der hinteren Ecke klimpert in Ermangelung eines Pianisten derweil wie von Geisterhand vor sich hin und wird dabei von Vogelgezwitscher begleitet. Wem das zu viel Natur ist, genießt seinen Drink im retromodernen Palour. Wer hier genau hinsieht, entdeckt liebenswerte Details wie die winzigen Ballerinaschuhe an den Stuhlbeinen oder kleine Videoinstallationen zwischen Flaschen und Gläsern. Tagsüber kommt das Palour noch als Frühstücksrestaurant daher, am Abend aber verwandelt es sich in eine Bar mit Live-Musik.
Im sketch setzt sich der Designanspruch sogar bei den Waschräumen fort. Sie zählen mit ihren wie riesige Eier geformten Toiletten zu den meistfotografiertesten WCs des Landes. Saisonal wechselnde, atemberaubende Dekorationen setzen ihnen buchstäblich die Krone auf. Unter den Waschräumen befindet sich die letzte Bar des sketch, die an ein Ufo erinnert. Hier kreisen die Gäste bildlich gesprochen um den Barkeeper und genießen ihre exklusiven Cocktails im Halbdunkel.
Beispielloser Erfolg in den sozialen Medien
Das sketch besticht mit einer Exzentrik, die einem fast den Atem raubt. Hier prallen so viele unterschiedliche Eindrücke aufeinander, dass die Gäste Mühe haben, alles beim ersten Besuch zu verarbeiten. Also kommen sie wieder. Alle. Sowohl das ältere Ehepaar, das die Scones der sketch Patisserie liebt, als auch die drei jungen Frauen, die den Feierabend mit einem guten Chabli im Palour begießen. Wirklich jeder Zentimeter im Sketch scheint wie geschaffen für ein Foto, das dann in den sozialen Medien für Begeisterungsstürme sorgt. Genau das wissen die Betreiber zu nutzen und beweisen, dass Social Media für die Gastronomie heute wichtiger ist denn je. Mehr als 271.000 Follower bei Instagram, 99.000 Likes bei Facebook, 62.000 Follower bei Pinterest und 19.500 Twitter-Abonnenten sprechen da für sich.
Übersicht der Bars und Restaurants des sktech
The Gallery – Brasserie & Restaurant
The Lecture Room & Library** – Gourmet-Restaurant
The Glade – Frühstücksrestaurant & Bar
The Paloure – Frühstücksrestaurant & Bar mit Live-Musik
The East Bar & Pods – Bar mit DJs