Wo kommen die Lebensmittel her, die in der Küche verarbeitet werden? Diese Frage stellen immer mehr Köche. Der Forderung nach mehr Transparenz kommen Unternehmen wie Transgourmet nach und laden zum Hofbesuch bei ihren landwirtschaftlichen Partnern ein.
Wir erleben gerade eine 180-Grad-Wende: Weg von exklusiven Luxusprodukten aus der Ferne, weg von einer zunehmenden Vereinheitlichung des gastronomischen Spektrums hin zu regionalen Produkten mit Geschichte. Immer mehr Köche orientieren sich in diese Richtung. Das Bedürfnis des Gastes nach „ehrlichen“ Lebensmitteln und mehr Transparenz bei der Angabe ihrer Herkunft ist groß. Entsprechend wächst der Druck auf den Markt – Industrie und Handel reagieren darauf.
Nun ist es aber so, dass das Vertrauen in gute Produkte und in die Lebensmittel verarbeitende Branche im Allgemeinen in der Vergangenheit ordentlich gelitten hat. Köche und Gastronomen sind verstärkt gefragt, das Vertrauen ihrer Gäste wiederzuerlangen, zurückzufinden zur eigenen (kulinarischen) Identität, zu Mensch und Natur im Einklang.
Klare Forderung nach Ehrlichkeit und Transparenz
Diesem Bedürfnis möchte Transgourmet mit dem Eigenmarken-Sortiment „Ursprung“ entsprechen. „Jedes Produkt, das unter der Marke Ursprung vertrieben wird, muss einen aufwendigen Prüfungsprozess durchlaufen“, erklärt Charlotte Brandau, die bei Transgourmet für die Pressearbeit zuständig ist.
Auf der Unternehmenswebseite von Transgourmet Ursprung können Gastronomen sich über die Geschichte der landwirtschaftlichen Partner und ihrer Betriebe informieren. Sie erfahren dort, wie die Alm-Rinder von Monika Grillitsch den Bergaufstieg bewältigen, was die Hühnerzucht von Franz Schemmer besonders macht und warum das Gänseleben bei Olaf Gutzeit so lebenswert ist. Wer es mit eigenen Augen sehen will, kann sich bei einigen Erzeugern vor Ort selbst ein Bild machen.
Erzählwert ist mehr wert
Vor einigen Wochen ging es beispielsweise zu Torsten Roder und seinen Lübchiner Strohschweinen. Dieser betreibt eine konventionelle Schweinemast, die allerdings mit den gängigen Konventionen bricht. Roders knapp 270 Zuchtsauen, 25 Jungsauen und 1.200 Ferkel leben in offenen, hellen Ställen in kleinen Kolonien zusammen.
„Der Einsatz von Soja ist für mich ein Tabu – obwohl es billiger wäre.“
Torsten Roder
Statt wie anderswo üblich, wühlen Roders Schweine durch Stroh, haben Platz zum Spielen und können es sich zum Nickerchen auf der Empore gemütlich machen. Zu fressen gibt es Weizen, Mais, Roggen, Gerste und Raps aus eigenem Anbau. „Der Einsatz von Soja ist für mich ein Tabu – obwohl es billiger wäre“, sagt Torsten Roder.
Dieselben Aufzuchtbedingungen gelten auch für die Eberferkel, die im Übrigen unter Torsten Roders Hofleitung nicht kastriert werden. Unnötige medizinische Eingriffe, genau wie der präventive Einsatz von Antibiotika, kommen für den Landwirt nicht in Frage. Er steht zu seinen Überzeugungen.
Strohschweine liefern beste Fleischqualität
Roder ist es wichtig, dass die Strohschweine feste Bezugspersonen haben. Gemeinsam mit seinen 14 Mitarbeitern begleitet er seine Tiere daher von ihrer Geburt bis zum letzten Tag ihres Lebens. Die persönliche Betreuung entspannt die Tiere. Das ist vor allem für den Weg zum Schlachter wichtig.
Weniger Stress bedeutet weniger Adrenalinausschüttung, der den Geschmack des Fleisches negativ beeinflussen kann. Die Transportwege der Tiere sind kurz, der Schlachtbetrieb ist gerade mal 35 Kilometer entfernt. Auch zum Zerlegungsbetrieb ist es nicht weit. Hier schwärmt man von der festen Struktur und der feinen Fettmarmorierung des Fleisches der Strohschweine von Torsten Roder.
Garantierte Abkaufmengen sichern Finanzierung
Für den Landwirt bedeutet diese Art der Schweinehaltung nicht nur ein einen erhöhten personellen Aufwand, sondern auch ein größeres finanzielles Risiko. Wirtschaftlich betrachtet ist sie allerdings nicht konkurrenzfähig. Aus eigener Überzeugung und Verantwortungsgefühl setzt Torsten Roder sich dennoch für das Wohl seiner Tiere ein. Möglich wird das für Erzeuger wie ihn, wenn Unternehmen eng mit ihnen zusammenarbeiten. Im Vorfeld werden garantierte Abkaufmengen vereinbart und so die Finanzierung der aufwendigeren Haltung gewährleistet.
Unternehmen wie Transgourmet lassen sich auf diesen Deal auch aus kulinarischen Aspekten ein: „Ein Schwein, das ein sauglückliches Leben führt, bringt am Ende des Zyklusses eine gänzlich andere Qualität auf den Teller als die artverwandten Genossen aus den Mastanlagen“, ist Charlotte Brandau überzeugt. Ihrer Erfahrung nach steigt außerdem die Wertschätzung für das Produkt, wenn die Köche wissen, dass der höhere Kilopreis eine vernünftige Haltung ermöglicht und dem Landwirt, der sich dafür einsetzt, das Überleben sichert.
Naturnahe Aufzucht für mehr Tierwohl
Ein weiteres Musterbeispiel für naturnahe Tierzucht finden Gastronomen ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern: die Bio-Waldputen von Armin Kremer. Sie stammen ursprünglich von Bronzeputen aus Nordamerika und alten englischen Landschlägen ab, sind besonders robust und somit bestens geeignet für die Freilandhaltung. Der Wald ist ihr natürlicher Lebensraum. Neben dem, was die Puten auf ihrer Weide oder im angrenzenden Wald an Pflanzen und Insekten finden, steht für die Tiere Bio-Futter auf dem Speiseplan.
„Als wir Anfang der 2.000er auf Bio umgestellt haben, hat keiner daran geglaubt, dass sich daraus mal ein rentables Geschäft entwickeln würde.“
Armin Kremer
Auch Armin Kremer stellt die Qualität des Futters durch überwiegend eigenen Anbau sicher. „Als wir Anfang der 2.000er auf Bio umgestellt haben, hat keiner daran geglaubt, dass sich daraus mal ein rentables Geschäft entwickeln würde“, gibt Armin Kremer zu. „Wir waren uns aber sicher, dass es genau der richtige Zeitpunkt war, sich von der konventionellen Zucht abzuwenden.“ Der heutige Erfolg gibt ihm recht.
Nicht nur die Zucht, auch die Schlachtung und Zerlegung sowie die Weiterverarbeitung erfolgen im eigenen Betrieb, der ständig weiter ausgebaut wird. Gerade kam eine neue Halle hinzu, in der sich Kremers Kollegen – alles festangestellte Mitarbeiter – um die Weiterverarbeitung kümmern. Ganze Puten, Fleischzuschnitte und teil-conveniente Produkte, wie Frikadellen oder frisch gebrühte und geräucherte Würstchen, stehen auf dem Plan. Statt großer Mengen setzt der Betrieb eher auf kleinere Chargen und produziert jeden Tag nach. Auf diese Weise konnte Armin Kremer eine Nische für sich erschließen: Ihm stehen die technischen und personellen Mittel zur Verfügung, um auch auf individuelle Kundenwünsche flexibel einzugehen.
Schwein gehabt!
Armin Kremer und Torsten Roder gewähren Besuchern tiefe Einblicke in ihre Betriebe. Klar, es gibt ja auch nichts zu verstecken. Das Mehr an Transparenz zwischen Landwirt und Koch ist besonders wichtig für ihre partnerschaftliche Zusammenarbeit und wird auch von immer mehr Gästen nachgefragt. Gastronomen entscheiden, welche Lebensmittel ihnen in die Küche kommen und indem sie die Geschichten hinter den Produkten erzählen können, gewinnen sie an Glaubwürdigkeit. So sorgen sie mit dafür, dass die Gäste ihr Vertrauen in die gesamte Branche wiedererlangen.
Der Artikel erschien zuerst in der Küche Nr. 11